Der Dubai Marathon 2019 liegt hinter mir und die nächste Etappe der Reise in 80 Marathons um die Welt ist damit geschafft. Der 19. Durchlauf des einzigen Marathons in den Vereinigten Arabischen Emiraten bewies erneut, dass er eine der schnellsten Strecken der Welt zu bieten hat, auch wenn der mit 200.000 Dollar ausgelobte Weltrekord nicht gebrochen werden konnte. Diese Trophäe blieb dem Veranstalter somit (vorerst) verwehrt, während das restliche Teilnehmerfeld eher die Hintergrundmusik für das Prestigeobjekt spielte. Man wurde zum Läufer zweiter Klasse degradiert.
Dubai Marathon: Superlativ in einer Nussschale
Der Blick in die offizielle Broschüre zum Dubai Marathon 2019, die in jedem Beutel beigelegt wurde, verrät den Teilnehmern, dass das Event eine der größten Sportveranstaltungen des mittleren Ostens sei. Waren es bei der ersten Veranstaltung im Jahr 2000 noch 1.818 Teilnehmer erhöhte sich die Zahl in diesem Jahr auf 18.720 Starter. Wohlgemerkt für die gesamte Veranstaltung, die 2019 neben der Marathonsdistanz einen 10-Kilometer- sowie einen 4-Kilometer-Lauf bot. So liefen schon bei der ersten Durchführung nur rund 120 Teilnehmer die Marathondistanz und auch im Jahr 2019 war die Teilnehmerzahl mit 2.283 Sportlern auf der Marathondistanz in Anbetracht der Größe der Gesamtveranstaltung eher überschaubar. – Zum Vergleich: Beim Hannover Marathon 2018 waren es 2.860 Starter über die Marathondistanz.
Dabei ist Dubai eine der schnellsten Strecken der Welt. Bereits 2008 konnte mit 2 h 04:53 min die damals weltweit zweitschnellste Zeit ins Ziel gebracht werden. Gut 10 Jahre später liegt der Weltrekord wie schon 2008 auf der Berliner Strecke, ist nunmehr aber bereits auf 2 h 01:39 min gesenkt worden. In anderer Hinsicht bietet der Dubai Marathon jedoch regelmäßig Superlative: Im Jahr 2012 erreichten vier Athleten unter 2h 05:00 min das Ziel. So viele, wie nie zuvor in einem Marathonrennen, und ein Jahr später sollte es bereits fünf Läufern gelingen diese Zeit zu unterbieten.
Nach einer kleinen Atempause im Jahr 2018 dann der nächste Rekord: Der Sieger erreichte mit 2 h 04:00 min das Ziel, während ihm sechs weiter Läufer innerhalb der nächsten 60 Sekunden folgten. Gut möglich, dass er den Atem von fünf der Verfolger sogar im Nacken spürte, da diese sogar innerhalb eines Zeitfensters von 15 Sekunden nach dem Sieger im Ziel eintrafen. Und auch der Dubai Marathon 2019 setzte neue Maßstäbe.
Der Sieger Getaneh Molla unterbot mit 2 h 03:34 min nicht nur den Streckenrekord, sondern lief damit auch die schnellste Zeit, die ein Marathonläufer bei seinem Debut erreicht hatte. Der Dubai Marathon jagt somit bereits seit Jahren einem Superlativ nach dem anderen hinterher und nahm auch im Jahr 2019 die nächste Etappe. Summiert man die Siegerzeiten der Männer und Frauen in diesem Jahr, so muss die Veranstaltung sich (erneut) nur dem Berlin Marathon 2018 geschlagen geben und stellt somit aktuell den zweitschnellsten Marathon der Welt dar.
Doch dieser Superlativ wird aus Teilnehmerperspektive teuer erkauft. Die nahezu ebene Strecke bestand 2019 aus einer Schelfe mit minimalistischen Kurven, auf der die zweite Runde doppelt gelaufen werden musste. Im Prinzip lief man nur geradeaus. Vorbei an wenig Sehenswertem, war dies ein weiteres Zeugnis des unspektakulären Spektakels. Die Strecke soll offenkundig funktionieren, um über kurz oder lang den offenbar heiß ersehnten Weltrekord nach Dubai zu holen.

Die Zweiklassengesellschaft der Marathonteilnehmer
Da der offizielle Start für den Lauf um 07:00 Uhr Ortszeit war, klingelte der Wecker erneut nach nur wenigen Stunden Schlaf. Bereits um 05:00 Uhr saß ich in einem Taxi und ließ mich bis in die Nähe des Startpunkts fahren. Den Bekleidungsbeutel abgegeben, saß ich auf einem Bordstein und schaute dem Treiben der anderen Teilnehmer zu, als mich ein Philippine ansprach und in ein Gespräch verwickelte.
Jimmy, wie er sich später vorstellte, lief bisher jeden einzelnen Dubai Marathon und arbeitete wie viele seiner Landsleute in Dubai. Er fragte mich ein wenig über meine Reise aus und nachdem er zunächst sichtlich erstaunt war, dass ich lediglich zur Startnummernausgabe und dem eigentlichen Lauf anreiste, um schnellstmöglich nach Hause zurückzukehren, kamen wir schnell auf mein Marathonvorhaben.
Jimmys großer Traum sein der Chicago, der Boston, sowie der New York Marathon und ich erhielt seinen anerkennenden, positiv gemeinten Neid, dass ich nicht nur New York bereits gelaufen war, sondern auch an anderen Orten in der Welt an Marathons teilgenommen hatte. Ich muss gestehen, dass es mich in diesem Augenblick fast schon beschämte. Gleichzeitig wurde mir (erneut) bewusst, dass ich in gewisser Weise ein Privileg genieße, das gesamte Vorhaben umsetzen zu können.
Jimmy allerdings blieb redselig und nachdem er meine Körpersprache, dass ich gerne in Ruhe einfach nur ein wenig Sitzen wolle, offenbar nicht verstand, nutzte ich die Gelegenheit, als er kurz seinen eigenen Beutel abgeben ging, um aus seinem Sichtfeld zu verschwinden. Ich wollte ein wenig für mich allein sein und da die Zeit weiter voranschritt, konnte ich mich wenig später bereits auf den Weg in Richtung Start-Ziel-Bereich machen.
Während die Eliteläufer bereits um 06:00 Uhr ihren eigenen Start hatten, durfte der Rest um 07:00 Uhr die Startlinie überschreiten. Bis kurz vor Beginn des Rennens war es noch komplett dunkel, bevor plötzlich innerhalb weniger Minuten die Sonne komplett aufging, so dass pünktlich zum Start des Dubai Marathons 2019 das Tageslicht die Strecke erhellte. Um mich herum standen Teilnehmer verschiedenster Nationen. Ich meinte auffällig viele Phillipen zu erkennen, sowie auffällig wenig arabisch wirkende Menschen. Offenbar erfreute sich das Laufen von Marathons auch gut 20 Jahre nach dem ersten Dubai Marathon noch immer keiner übermäßigen Beliebtheit im Großteil der arabischen Bevölkerung.
Spätestens jetzt wurde mir klar, dass der Veranstalter keine Paceläufer vorgesehen hatte. Während ich bisher überall auf meiner Reise Läufer mit Fähnchen oder Luftballons vorgefunden hatte, war nichts davon beim Dubai Marathon 2019 der Fall. In gewisser Weise wirkte dies wie eine weitere Verdeutlichung, welchen Stellenwert die breite Masse hatte. Man war Beiwerk, Hintergrundrauschen eines Marathons der Superlative, der sich wenig für das interessierte, was abseits des elitären Fokus geschah. Daran erkennt man wohl auch den tatsächlichen Wert eines IAAF Gold Logos, das mehr Schein als Sein ist.
Ich stellte bereits gestern fest, dass die Messe des Dubai Marathon 2019 kleiner war als bei jedem anderen Lauf, an dem ich bisher teilnahm. Das Pressebüro in der Nähe der Startlinie war dagegen deutlich größer, um unzähligen Journalisten und Technikern Platz zu bieten, so dass die Welt von den heroischen Momenten des Laufs erfahren sollte. Aus Teilnehmerperspektive empfinde ich das tatsächlich spannend, da überall nur von den Superlativen des Marathons berichtet wird, aber niemand davor warnt, dass man sich als Freizeitsportler die Reise sparen kann, wenn man nicht gerade den Länderpunkt für die Vereinigten Arabischen Emirate einsammeln wolle.
Die Strecke war karg, langweilig und bis auf vereinzelte Ausnahmen, die zum Großteil offenbar Angehörige von Läufern auf der Strecke waren, gab es praktisch keine Menschen, die für Stimmung an der Strecke sorgten. Noch weniger Publikum habe ich vermutlich nur im Training bei meinen langen Läufen in der Dunkelheit. Einzige und zugleich fast schon bizarre Ausnahme waren offenbar bezahlte Philippinen, die mit von Adidas vorgefertigten Schildern an einigen Punkten an der Strecke geballt standen und einem zujubelten. Das Ganze hatte auf gewisse Weise eine unfreiwillige Komik.
Und so entschloss ich mich, nachdem ich den New York sowie den Pisa Marathon 2018 noch bewusst ohne Musik gelaufen war, bereits nach wenigen Minuten dazu, ein Hörbuch anzuschalten und die anstehende Zeit entsprechend zu nutzen bzw. kurzweiliger werden zu lassen. Wie üblich ließ ich mir alle 500 Meter meine Pace ansagen, die wiederum ebenfalls ein gut gehütetes Geheimnis geblieben wäre, da beim Dubai Marathon nirgendwo Uhren aufgebaut waren. Selbst an den üblichen Punkten wie 10 Kilometer oder der Halbmarathondistanz blieben Läufer ohne eigene Uhr ohne Hinweis auf ihre Zwischenzeit.
Nachdem ich eine Woche vor dem Lauf noch krank gewesen war, hatte ich keine Erwartungen an den Marathon. Ich wollte gut durchkommen und keinen Einbruch erleiden. Insbesondere Letzteres war mir nicht gänzlich vergönnt. Während ich auf der Hälfte der Strecke die 5-Minuten-Pace noch halten konnte, wurde ich anschließend spürbar langsamer und hatte ab dem 35. Kilometer einen kleinen Einbruch, der auch der Sonne geschuldet war. Mit um die 20 Grad war es nicht wirklich heiß, aber da dies gut 25 Grad mehr waren, als noch zwei Tage zuvor in Deutschland, machte mir die Temperatur doch etwas zu schaffen.
Mühsam beendete ich das Rennen und kam mit einer Zeit von 3h 44:54 min ins Ziel. Keine wirklich berauschende Zeit, die dennoch den 369. Platz von 2.283 Teilnehmern bedeutete und zeigte, dass das schnellste Rennen der Welt in der breiten Masse relativ langsam war. Bei anderen Veranstaltungen wäre ich mit dieser Zeit kaum im ersten Drittel gelandet.

Das lieblose Ende einer Pflichtaufgabe
Im Zielbereich blieb man zunächst allein. Während bei anderen Marathons normalerweise eine Vielzahl an Helfern bereitstehen und die Finisher beglückwünschen, war niemand zu sehen. Man musste noch einige Meter gehen, um schließlich von drei Helfern eine der fast schon lieblosen Medaillen umgehangen zu bekommen. Auf gewisse Weise empfand ich auch dieses abschließende Kapitel als Beispiel dafür, dass die Umsetzung des zweiten Teils des Marathonrennens eine eher wie lästige Pflichtaufgabe für den Veranstalter erschien.
Wer sich mit verschiedenen Marathonläufen auseinandergesetzt hat, wird feststellen, dass die Medaillen immer etwas Einzigartiges darstellen. Sie sind in gewisser Weise ein Aushängeschild der Veranstaltung und auch ein Anreiz zur Teilnahme. Während der Dubai Marathon sich auf dem Niveau der Eliteläufe als Veranstaltung der Superlative präsentiert, passte die unspektakuläre und unterdurchschnittliche Halstrophäe zum restlichen Bild.
Würde der Lauf kein reines Prestigeobjekt sein und hätte man Interesse daran, ein spannendes Sporterlebnis im Nahen Osten zu bieten, gäbe es sicherlich beindruckende potentielle Streckenführungen durch die Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate. So hatte ich aber das Gefühl, nicht nur Teilnehmer zweiter Klasse, sondern fast schon lästig gewesen zu sein. Das mag ein sehr hartes Urteil sein, das nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass viele Menschen an der Durchführung des reibungslosen Ablaufs beteiligt waren.

Doch es kochte alles auf Sparflamme. Vom fast schon nebensächlich durchgeführten Start, über eine eintönige und gleichermaßen leblosen Strecke, bis hin zum Empfang der lieblosen Medaille stellte der Dubai Marathon 2019 für mich kein Erlebnis dar, welches ich weiterempfehlen könnte. Wer auszieht, um in der Welt Marathons zu laufen, sollte lieber an anderen Orten nach neuen Eindrücken suchen. Diesen Ratschlag werde ich selbst ebenfalls beherzigen. In einem Monat steht bereits der neunte Marathon auf meiner persönlichen Reise an. Dieses Mal geht es noch ein Stück weiter nach Indien. Der Neu Delhi Marathon 2019 wird mit Sicherheit ein ganz anderes Abenteuer.
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