Der Reykjavik Marathon liegt hinter mir und erfüllte leider nicht alle Hoffnungen und Erwartungen. Ich hatte im Zuge der Anreise die Stadt selbst bereits als unspektakulär beschrieben und genau das traf leider auch auf den Marathon zu, bei dem es die ein oder andere unerwartete Parallele zum Dubai Marathon gab. Der Lauf war anstrengend, wie es 42,195 km nun einmal sind, und letztendlich reise ich mit gemischten Gefühlen zurück in die Heimat. Aber beginnen wir etwas weiter vorne…
Endlich einmal ausschlafen
Wie ich bereits beschrieben hatte, lag man Hotel nur wenige Gehminuten vom Start entfernt. Da der Startschuss für den Marathon um 08:40 Uhr geplant war, blieb mir genügend Zeit, mehr Schlaf als bei vielen anderen Marathons in den letzten Monaten zu bekommen, und gleichzeitig konnte ich mal wieder ein Hotel-Frühstück mitnehmen. Bis auf das kleine Hotel, dass ich für den Pisa Marathon gebucht hatte, stellte sich normalerweise keine Unterkunft darauf ein, dass sich Marathonläufer in der Stadt aufhielten und so war man meist bereits in Sportbekleidung auf der Strecke, wenn das gebuchte Hotel sein Frühstück eröffnete.
Wer auf isländische Spezialitäten gehofft hätte, wäre jedoch enttäuscht gewesen. Das Frühstücksbuffee war fraglos sehr gut, jedoch so uniform, dass man den Standort des Hotels anhand der Auswahl in keiner Weise hätte erraten können. Selbst der mittels Schildchen angekündigte Skyr glänzte durch Abwesenheit, wobei ich ja auch nicht fürs Frühstücken nach Reykjavik gekommen war.
Die Wetter-App sagte knapp 11 Grad voraus, so dass ich am Zweifeln war, wie ich mich am besten anziehen sollte. Ich hatte extra ein Langarmshirt, dass ich auf der Strecke wegwerfen könnte, dabei und eine Variante, bei der ich ein anderes Langarmshirt anbehalten würde. Doch was war die bessere Wahl? Ich entschied mich für die zweite Variante, ging zum Start und war in Anbetracht der Tatsache, ohne Bewegung kein Stück zu frieren, verunsichert, ob ich nicht doch schnell noch einmal wechseln sollte. Ein kurzer Nieselregel, der ebenso schnell wieder endete, wie er begann, hielt mich schließlich doch von der Umsetzung ab, so dass ich mich gemeinsam mit den anderen Teilnehmern im Startbereich einordnete.

Ein Rennen mit Hindernissen
Dies war gar nicht so einfach. Da es keine Startblockzuordnung gab, wurden man gebeten, sich selbständig gemäß seiner Zielzeit zu positionieren. Dumm nur, dass es für die Marathonläufer keine Pace-Maker gab. Die einzigen Ballons, die reichlich vorahnden waren, richteten sich an die Halbmarathonläufer, auf die im Folgenden noch öfters der Fokus der Veranstaltung liegen sollte. Ich empfand mich nicht ganz so als Läufer zweiter Klasse wie Anfang des Jahres in Dubai, aber internationales Niveau hatte diese Organisation nicht.
Dieser erste, etwas ernüchternde Eindruck wurde, nachdem der Startschuss gefallen war, nicht zwangsläufig besser. Fast 3.800 Läufer, von denen fast 2.700 den Halbmarathon absolvierten, wurden gleichzeitig auf eine Strecke geschickt, die auf den ersten 500 Metern eher einem Nadelöhr entsprach. Nach kaum 50 Metern war der Lauf bereits gestoppt und es gab nur ein zögerliches Vorkommen im Schritttempo. Es erinnerte mich an die typischen Situation, der man bei Hindernisläufen regelmäßig begegnet, wenn sich das Feld an einem Hindernis staut, an dem zu wenig Platz für alle Läufer ist. Sowas ist ärgerlich, insbesondere bei einem Marathon, wo dann doch mehr Teilnehmer auf ihre Zielzeit schauen werden, als bei einer Spaßveranstaltung im Schlamm und Matsch.

Überhaupt war es fast die ersten 5 km mal wieder eine wahre Herausforderung sich an den Menschen vorbei zu drängen, wobei man den meisten Teilnehmern dieses Mal aufgrund der mangelnden Einteilung durch den Veranstalter keinen Vorwurf machen kann. Dennoch empfinde ich diesen Teil des Rennens regelmäßig als frustrierend und kraftraubend, wenn man mehr damit beschäftigt ist, um andere Personen herumzulaufen und eine sich öffnende Lück zu antizipieren, als einfach sein eigenes Rennen laufen zu können.
Ich selbst hatte mir vorgenommen, den Marathon auf mich zukommen zu lassen. Ich lief in dem Tempo los, das sich für mich gut anfühlte, und war von Anfang an schneller als zuletzt beim San Francisco Marathon. Insbesondere die ersten 10 km fühlten sich gut an, wobei ich dennoch spürte, dass die Belastungen der letzten Wochen nicht weggeblasen waren. Entgegen meiner geplanten Vorgehensweise hatte ich auch keinerlei Verlangen nach einem der drei Gels, die ich mit mir trug. Das Frühstück war vielleicht etwas zu groß ausgefallen oder der Zeitpunkt lag doch zu eng zum Marathonstart. Was auch immer der Grund war, es lag mir spürbar schwer im Magen.
Die Strecke selbst war, wie bereits angesprochen, unerwartet unspektakulär. Im Vorfeld hatte ich gehofft, dass man aus Reykjavik heraus ins Umland geführt werden oder etwas mehr vom Meer mitbekommen würde, doch beide Hoffnungen erfüllten sich nur sehr begrenzt. Während man insbesondere die ersten Kilometer durchaus im Hafenbereich entlang geschickt wurde und in der Ferne mit nebelumhüllten Bergen etwas von der Natur erahnen konnte, führt die Strecke des Reykjavik Marathons eher klassisch durch zum Teil wenig ansehnliche Randgebiete der Stadt.
Nach etwa 18 km trennte man sich nun vom Wurmfortsatz: Der Marathon wurde in eine andere Richtung geleitet und das Feld dünnte sich spürbar aus, wie man es auch bei anderen Läufen, wie dem Luxemburg Marathon, an entsprechenden Streckenbereichen erleben durfte. Von nun an gab es jedoch weder Schildern noch Absperrungen. Damit der Reykjavik Marathon jedoch nicht zum Orientierungslauf durch Seitenstraßen und Parks der isländischen Hauptstadt wurde, gab es an entsprechenden Gabelungen immer wieder freiwillige Helfer, die geduldig die Richtung anzeigten. Offenbar war die (Wo)Man-Power günstiger als das Aufstellen von Schildern. Darauf wurde im gesamten Marathonabschnitt gänzlich verzichtet. Statt der üblichen Kilometerangaben auf gut erkennbaren Pappflächen standen regelmäßig Pylonen mit der entsprechenden Zahl auf dem Boden.

Was den Erlebnisfaktor betraf, wurde die Strecke im marathonexklusiven Bereich tatsächlich schöner, allerdings auch hügeliger. Während die ersten 20 km sehr flach ausfielen, wurde man nun regelmäßig über diverse Anstiege geführt, die allesamt nicht wirklich steil waren, aber dennoch ihren Tribut forderten. Meine Pace wurde langsamer und obwohl ich zeitweise bei kühleren Passagen froh war, etwas Langärmliges gewählt zu haben, waren die salzigen Schweißkrusten gut auf der Kleidung erkennbar. Ich schwitzte spürbar mehr, als dass ich an Flüssigkeit aufnehmen konnte. Was dieses Problem angeht, habe ich bisher noch nicht die optimale Strategie für mich gefunden.

Entsprechend schwer wurde es hinten raus, wobei es diesmal vermutlich eine Mischung aus vielen Faktoren war, wie ich im Zuge der Anreise bereits darstellte. Insbesondere die letzten 6 km präsentierten sich wieder einmal von ihrer härteren Seite, so dass es wie so häufig eine mentale Herausforderung war, wenn auch kein Kampf wie beim Gold Coast Marathon. Aber 42,195 km bleiben nun einmal 42,195 km und wenn man diese am Ende des Rennens als entspannt wahrnimmt, hätte man wohl einiges an Potential auf der Strecke liegen lassen. Am Ende wurden es für mich 3 h 51:48 min, was dem 369. Platz von 1169 Finishern entsprach.
Nach dem Rennen gelangte man wie schon in Dubai auf eine kleine Wiese, auf der die Läufer sich hinlegen konnten und die Möglichkeit hatten, etwas zu trinken zu bekommen. Eine richtige Finisher-Straße oder ähnliches sparte sich der Veranstalter jedoch. Insgesamt muss ich sagen, kann ich das Rennen leider nicht empfehlen, wenn man so wie ich nur für den Marathon anreist. Das Land ist sicherlich wundschön und ich selbst spiele mit dem Gedanken noch einmal für einen Urlaub zurückzukehren. Reykjavik selbst ist jedoch leider keine Reise wert.
Waren 13 Marathons unter 4 Stunden in 12 Monaten zu viel?Wenn ich eine Einschätzung geben müsste, so würde ich behaupten, dass ich mit derselben Tagesform die beiden Marathons im Vormonat mit einer Zeit von über vier Stunden beendet hätte. Ob dies der Fall ist, lässt sich natürlich nur schwer sagen und aufgrund der Trainingsumstellungen der letzten Woche noch schwieriger vergleichen, aber dennoch brachte mich der Reykjavik Marathon zum Nachdenken.
Ich bin dieses Projekt immer mit großem Respekt angegangen und die Tatsache, innerhalb der letzten 12 Monate nun auf 13 Marathons zurückblicken zu können, die ich keineswegs geschlichen bin, erfüllt mich vielleicht nicht zwangsläufig mit Stolz, aber zumindest doch mit Zufriedenheit. Ich habe viel gelernt und mir war stets bewusst, dass es irgendwo eine Grenze geben wird. Ich weiß nicht, ob ich nun an einer angelangt bin, an der ich (zunächst) stoppen sollte.
Eigentlich wären für das Jahr 2019 noch vier weitere Läufe geplant gewesen. Von einem fünften im Dezember habe ich mich gedanklich schon länger verabschiedet und in jedem Fall ist nach Abschluss dieser langen Saison eine verhältnismäßig längere Pause geplant, bevor es spätestens im April 2020 wieder über die volle Distanz geht. Die Frage ist nun also, ob bzw. welche der noch anstehenden Rennen ich laufen sollte. Bis zum Berlin Marathon wären es erneut lediglich vier Wochen Pause und mein erstes Gefühl nach dem Reykjavik Marathon war es, auf eine Teilnahme besser zu verzichten.
Es ist ein zugegeben schwieriger Gedankenfluss, der mich schon jetzt in der wenig vergangenen Zeit hin und her riss. Ich betonte bereits mehrfach, dass die Reise in 80 Marathons um die Welt kein Sprint sei und ich mir dessen bewusst bin. Den eigenen Ehrgeiz in vernünftige Bahnen zu lenken, fällt mir dennoch auch nach all den Jahren sportlicher Betätigung nicht immer leicht. Das erste Gefühl ist einen Tag nach dem Lauf schon wieder verflogen und ich möchte zumindest die kommende Trainingswoche abwarten, um zu schauen, wie mein Körper die Anstrengungen überstanden hat und auf das wieder reduzierte Trainingsvolumen reagiert. Schauen wir mal, wohin die Reise in diesem Jahr noch hinführt.
3 Kommentar zu “Reykjavik Marathon 2019: Unerwartet unspektakulär”