Der Pisa Marathon 2018 liegt hinter mir und damit auch das Wettkampfjahr 2018. Die Reise in 80 Marathons um die Welt steht noch am Anfang, aber mit dem Lauf in Pisa sind die ersten sieben Schritte gemeistert worden. Auch wenn ich mich weiterhin nicht als Läufer bezeichnen würde, kann ich vermutlich behaupten inzwischen ein paar mehr Kerben im Marathon-Holz zu haben, als andere Hobbysportler. Für den Pisa Marathon war es der 20. Durchlauf. Davon mag ich noch weit entfernt sein, aber auch ich mit längst kein One-Hit-Wonder mehr.
Eine Frage der Kleiderordnung
Am Abend vor dem Marathon ging ich noch einmal in die Altstadt, um etwas zu essen. Streng genommen hatte ich nicht wirklich Hunger, allerdings wollte ich sichergehen, ausreichend Kohlenhydrate in der Muskulatur zu haben. Also holte ich mir zwei Stücken Pizza in einem gut besuchten Laden, die allerdings sehr enttäuschend und vielleicht nicht unbedingt repräsentativ für italienische Teigwaren waren.
Besser dagegen waren die Eiskugeln, wobei man auch hier sagen muss, dass die Globalisierung einem die einzigartigen Erfahrungen nehmen kann. Das Eis der italienischen Eisdiele am Hauptbahnhof Hannover steht weder in Portionsgröße noch im Geschmack den Landsmännern aus Pisa nach. Das Eis war also gut, aber nachdem ich vor einer Woche noch euphorisch über die Migration des Halo Top Eis schrieb, gibt es scheinbar inzwischen keine Gründe mehr, die deutschen Grenzen für ein Eis zu verlassen. Man bekommt schlichtweg die gleiche Qualität inzwischen auch im Land der Kartoffeln und Lederhosen.
Am nächsten Morgen war es dann allerdings auch eisig. Nachdem die Temperaturen am Abend bereits gegen Null gingen, zeigte die Wetter-App auch beim Aufstehen um 06:30 Uhr frostige zwei Grad an. Die Frage war: Was ziehe ich an? Bei einem Trainingslauf hätte ich mir darüber kaum Gedanken gemacht. Im Zweifelsfall immer etwas mehr, was ich bei langen Läufen sowieso im Trinkrucksack verstauen könnte, aber wie sollte ich mich für den Pisa Marathon wappnen? Schließlich war es bisher noch auf keinem Wettkampf so kalt.
Nachdem ich gedanklich mehrfach die verschiedensten Kombinationen durchgegangen war – ich hatte extra verschiedene Oberbekleidung eingepackt – entschied ich mich für Funktionsshirt, enganliegendes Langarmshirt und darüber das offizielle Pisa Marathon Shirt, das es am Tag zuvor auf der Expo gab. Dazu Handschuhe, ein Halstuch vom Kassel Marathon und eine Mütze. Zumindest im Hotelzimmer war mir damit oben herum ausreichend warm. Das änderte sich schnell, als ich die Lobby verließ.
Ich begann spürbar zu frieren und hatte mir für diesen Fall am gestrigen Tag noch erstmals extra einen Poncho gekauft. Ich wusste von vergangenen Läufen, dass man am Start durchaus etwas frieren darf, um beim Laufen die Wohlfühltemperatur zu erreichen. Ob ich allerdings die richtige Strategie gewählte hatte, war mir weiterhin nicht klar, da im Startbereich mal wieder die verschiedensten Kombinationen zu sehen waren. Von dick eingepackten Männer und Frauen bis zu kurzen Hosen und Unterhemd war alles dabei, während ich trotz Poncho den Start herbeisehnte, um mich anständig bewegen zu können.
Geisterstimmung statt begeisterter StimmungPünktlich um 9 Uhr fiel dann auch der Startschuss und das Feld aus Marathon- und Halbmarathonläufern begann zeitgleich loszulaufen. Was das angeht, nahmen die Italiener es nicht ganz so streng und so gab es weder eine Teilung der beiden Wettkämpfe noch eine Aufteilung nach angestrebter Pace. Es konnte jeder stehen, wo er wollte, was für ein entsprechendes Gedränge am Anfang sorgte. Das ist ein Punkt, den ich wohl nie verstehen werde, schließlich messen die Chips die Netto-Zeit und insbesondere langsamere Läufer sind die ersten paar Hundert Meter das Äquivalent zu Rentnern im Freibad, die nebeneinander schwimmen und dabei ein Gespräch führen. – Nichts gegen ältere Generationen!
An der Strecke dann: nichts! Offenbar waren die frühe Uhrzeit auf einem Sonntag gepaart mit niedrigen Temperaturen nichts für heißblütige Italiener, was ich den Menschen aus Pisa nicht verdenken kann, aber niemand? Ich muss mich an dieser Stelle vermutlich bei den Menschen aus Kassel und Graz entschuldigen. Ich wusste bisher nicht, dass Hannover solche eine Stimmungshochburg ist und man andernorts sogar einen Geistermarathon mitten in der Stadt erleben kann.
Das zog meine Laune die ersten Kilometer tatsächlich runter. Ich fühlte mich nicht gut, mir war zunächst kalt und ich war genervt vom Gedränge und der Tatsache, dass der Startbereich des Marathons praktisch gar nicht ausgeschildert war und es eine kleine Schnitzeljagd glich, den Startpunkt zu finden. Das Schlangenlinienlaufen um verschiedenste Teilnehmer machte es nicht besser. Als ich dann nach fünf Kilometern immer noch keine Verpflegungsstation sah, wusste ich gar nicht mehr, was ich von dem Lauf halten sollte.
Dazu muss ich sagen, dass die Informationsgewinnung auf der offiziellen Homepage sich zum Teil als schwierig erwies. Ich kann über die italienische Variante nicht sagen, aber das Finden von der konkreten Adresse des Startbereichs oder anderen Informationen war zumindest auf der mobilen Version eine kleine Herausforderung und zu Verpflegungsstationen hatte ich im Vorfeld trotz Suche gar nichts gefunden. Die Betonung liegt auf „gefunden“, gut möglich, dass auch diese Information durchaus existierte. So aber war ich tatsächlich verunsichert, was mich nun erwarten würde. Ein Marathon, der seit 20 Jahren ausgetragen wird, und es gibt keine Verpflegungsstationen?
Doch schnell zeigte sich, dass ich dem Pisa Marathon Unrecht tat. Wenige hundert Meter war endlich die erste Verpflegungsstation und alle fünf Kilometer bekam man die nächste Gelegenheit etwas zu trinken, ein Stück Banane zu essen oder Neapolitaner-Waffeln. Ja, richtig! Gibt es woanders Energiegels oder Kohlenhydratriegel zu essen, hatten die Italiener Waffeln angeboten, was ich keinesfalls schlecht fand und gerne in Anspruch nahm. Inzwischen war mir selbst auch wärmer, das Feld hatte sich auseinandergezogen und meine Laune wurde deutlich besser.
Die ersten Kilometer führten durch Pisa und man bekam den Charme der traditionellen Bauten zu spüren. Ich vermute, dass es auch kargere Gegenden in der Stadt geben wird, aber diese bekam man während des Marathons an keiner Stelle zu sehen, denn schnell führte der Marathon aus der Stadt heraus und man lief über eine flache Strecke zwischen Feldern, Wäldern und schließlich sogar am Meer entlang! Es war wirklich eine schöne Strecke, die ich zu genießen wusste.
Nachdem die ersten Kilometer sich noch schwer anfühlten, die Pace aber stetig unter fünf Minuten angesagte wurde, wurden die Beine nach dem ersten Viertel spürbar leichter. Ich geriet in den Flow. Kilometer um Kilometer behielt ich das Tempo bei und bei der Hälfte war mir klar: Es könnten heute erneut weniger als 3:30 Stunden werden. Ich könnte mir selbst beweisen, kein One-Hit-Wonder zu sein, nachdem es auf der anspruchsvolleren Strecke in New York knapp 10 Minuten über dieser magischen Grenze waren.
Und so verlief auch der restliche Marathon nahezu entspannt. Nach einiger Zeit hatte ich die 3:30-Pacemaker eingeholt, die am Start einige Zeit vor mir losgelaufen waren und nachdem ich auch diese überholt hatte, begann die Vorfreude, das Rennen erfolgreich zu beenden. Ein schwer zu beschreibendes Gefühl, aber ich merkte, dass ich mein Ziel erreichen würde, wenn nichts Unvorhersehbares passieren würde.

Und so sollte es passieren: Nach 3 h 27:41 min (netto) übertrat ich vor den Augen der wenigen Zuschauer, die ich heute zu Gesicht bekam, die Ziellinie. Eine Zeit, die ich erst fast ein Jahr später beim Bestzeitmarathon in München wiederholen sollte. Pisa mag nicht im Marathonfieber gewesen sein, aber der Lauf hatte mein Gemüt erwärmt. Ich wäre vermutlich auch mit einer langsameren Zeit zufrieden gewesen, da die Strecke letztendlich Spaß gemacht und der Lauf sich gut angefühlt hatte. So war es aber natürlich ein noch schönerer Abschluss des Wettkampfjahres 2018.
Hätte man mir vor einem Jahr gesagt, dass ich 2018 fünf Marathons laufen würde, hätte ich denjenigen vermutlich für verrückt erklärt. Für 2019 sind dagegen bereits deutlich mehr Läufe geplant, so dass es sportlich gesehen in jedem Fall ein aufregendes Jahr war. Wie sich 2019 gestalten wird, muss die Zukunft zeigen. Den Anfang wird im Januar der Marathon in Dubai machen, der sicherlich auch eine neue, spannende Erfahrung wird. Ich sage arrivederci Pisa! Ich weiß nicht, ob ich noch einmal wiederkommen werde, aber es hat mir in jedem Fall sehr gut gefallen und ich werde den Pisa Marathon 2018 in guter Erinnerung behalten!
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