Vivawest Marathon 2019: 42,195 km bleiben 42,195 km

Der Vivawest Marathon 2019 war abwechslungsreich. Er war hügelig und heiß. Und ich war langsam. Das Erste war eine positive Überraschung, das Zweite eine unerwünschte und das Dritte geplant, wenn auch nicht ganz unbeeinflusst durch den zweiten Punkt. Einen Tag nach dem Lauf kann ich behaupten, dass mein Plan –aus dem Marathon einen Trainingslauf zu machen – gelang und die spontane Teilnahme zwei Wochen vor dem Luxemburg Marathon keine falsche Entscheidung war. Vielmehr bin ich um die Eindrücke eines schönen Erlebnisses reicher.

Go West: Auf in den Ruhrpott

Wie inzwischen üblich, klingelte der Wecker wieder einmal zu einer Uhrzeit, zu der ich mich normalerweise noch im Bett umdrehen würde. Ich hatte mir bewusst ein kleines Zeitfenster eingeplant, um wie schon vor dem Hannover Marathon in Ruhe zu Hause zu frühstücken und entspannt in den Tag zu kommen. Ähnlich gestaltete sich auch die Autofahrt über die auf einem Sonntagmorgen auffallend leere A2, die von Hannover praktisch direkt bis vor die Haustür des Vivawest Marathons führte.

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Frühstück vor dem Vivawest Marathon zu Hause

Die Veranstalter hatten auf dem Gelände der Schalke Arena Parkplätze in Anspruch genommen, so dass man weder irgendwo durch die Stadt irren musste, noch unnötiger Stress wegen einer Parkplatzsuche aufkommen würde. Vom Stadionparkplatz fuhr die Straßenbahnlinie 302 fast bis zum Start, wobei zumindest morgen die angekündigten Doppelwaggons sowie höhere Taktzahl der Bahnen noch nicht umgesetzt wurde. So wartete ich mit einer Vielzahl an weiteren Startern an der Haltestelle, bis die planmäßige Straßenbahn pünktlich eintraf und nach Gelsenkirchen hineinfuhr.

Ich war in meinem Leben noch nie wirklich im Ruhrpott. Die bisherigen Kontakte beschränkten sich auf Durchfahrten auf den Autobahnen und vor Jahren besuchte ich eine Veranstaltung am Randgebiet von Duisburg. Aber so richtig in den Pott begab ich mich bisher nie. Auf der anderen Seite geht auch an mir nicht vorbei, dass es in Gelsenkirchen viele Fußballverrückte geben muss. Gemäß Wikipedia konnte sich der Sportclub Schalke 04 zumindest bis Ende 2018 knapp vor dem direkten Konkurrenten Dortmund behaupten, was die weltweiten Mitgliederzahlen betrifft. Beide Sportclubs nehmen Platz 4 und 5 auf der Liste ej  und werden nur vom FC Bayern München und zwei Clubs aus Lissabon überflügelt.

Diese Leidenschaft bekam man auch als Besucher zu sehen. Auf der kurzen Fahrt vom Stadionparkplatz hin zum Startbereich des Vivawest Marathons ging es an unzähligen Kneipen und Shops vorbei, die offenkundig mit Schalke 04 verbunden waren, und immer wieder gab es Häuserfassaden, die dem Fußballclub gewidmet waren. Es wäre zu viel gesagt, dass so etwas wie Atmosphäre aufgekommen wäre, aber auf eine gewisse Weise ließ mich diese Beobachtung schmunzeln. Ich kann es schwer beschreiben. Vermutlich, weil ich solch ein Bild in dieser Dichte weder aus Rostock noch Bielefeld oder gar Hannover kannte, wo zu den Zeiten, als ich dort wohnte, ebenfalls Erstligafußball gespielt wurde.

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Streckenplan Vivawest Marathon 2019 – Quelle: Vivawest.de

Mit Volksfeststimmung und einem eingespielten Moderatorenteam zum deutschen Marathon-Rekord

Nachdem weniger Schritte von der Haltestellte entfernt problemlos die Startunterlagen in einem extra aufgestellten Zelt abgeholt werde konnten, kam man direkt an den Startbereich des Marathons. Neben den üblichen Distanzen kombinierten die Veranstalter den Vivawest Marathon mit einer Schulmeisterschaft, bei dem sich die Kinder alle paar Kilometer den Staffelstab übergaben. Entsprechend viel Getümmel war neben dem Start. Hüpfburg, Süßigkeitenstände und unzählige Kinder in lila Shirts sorgten für was so etwas wie eine Volksfeststimmung am Rande.

Ebenfalls positiv vielen mir diesmal die Moderatoren auf. Das mag jetzt nicht sonderlich wichtig klingen, aber bei den unterschiedlichen Orten, an denen ich inzwischen an den Start ging, konnte ich feststellen, dass die Rolle des Moderators sehr unterschiedlich interpretiert wird. Gab es in Dubai quasi niemanden, der diese Funktion übernahm, und wurde man auch in Kassel mehr oder weniger kurz vor knapp angesprochen und schon losgeschickt, erlebte man in Gelsenkirchen eher das Gegenteil. Der Hauptmoderator hatte offensichtlich eine Art Programm vorbereitet und sorgte tatsächlich mit wechselnden Gästen oder einem länger begleitenden Co-Host für kurzweilige Stimmung. Zumindest bei mir.

Und so verging die Zeit nach der Abgabe des Startbeutels auch zügig, bis das Rennen pünktlich um 09:30 starten sollte. Dabei gab es im Prinzip zwei Startschüsse. Die Veranstalter hatten sich zwar keine Eliteläufer eingekauft, so dass das Rennen auch verhältnismäßig langsam war, allerdings sollte mit Hilfe einer Staffel die Zeit des deutschen Marathonrekords der Herren unterboten werden. Die Staffel war gespickt mit Landesmeistern und Deutschen Meistern auf verschiedenen Streckenlängen. Am Ende unterboten die 13 Männer und die eine Frau der Rekordstaffel mit einer Zielzeit von 2 h 06:58 min den bestehenden Rekord von Arne Gabius um fast zwei Minuten. Die Tatsache, dass über ein Dutzend erfahrene Wettkampfathleten die Zielzeit eines einzelnen Läufers letztendlich nur knapp unterbieten können, macht diese Fabelzeiten für mich umso unbegreiflicher.

Mein eigenes Rennen

Für mich selbst ging es dann ebenso wie für den Großteil des Teilnehmer mit dem zweiten Startschuss los, der jedoch ebenso mit Pistolenschuss in die Luft und Konfettiregen initiiert wurde. Im Gegensatz zum Dubai Marathon fühlte man sich keinesfalls wie ein Läufer zweiter Klasse.

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Vor dem Start noch bester Laune

Ich selbst hatte keine Rekord im Sinn und die schwüle Wärme vor dem eigentlichen Start kündigte bereits an, was die Wetter-App versprach. Lag die Temperatur anfangs noch bei knapp unter 20 Grad, sorgten die hohe Luftfeuchtigkeit für ein leichtes Drücken. Dennoch war die größte Herausforderung auf den ersten Kilometern das bewusste Langsamlaufen. Ich hatte mir vorgenommen den Lauf als eine Art Trainingseinheit mitzunehmen. Unter 4 Stunden sollte das Ergebnis schon lauten, allerdings hatte ich keine Ambitionen großartig schneller zu sein.

Dennoch musste ich mich spürbar zügeln, die Pace langsam zu halten und lief auf der ersten Hälfte des Marathons auch gut zwei Minuten raus, ohne dies geplant zu haben. Die Luftfeuchtigkeit verschwand, während die Sonne immer mehr brannte. Zwischenzeitlich hatte man fast schon das Gefühl, gekocht zu werden. Es gibt sicherlich schlimmere Szenarien. Nachdem ich mir drei Wochen zuvor aber beim Hamburg Marathon noch den Hintern abgefroren hatte, und durch den Regen im Anschluss noch ein paar Tage gesundheitlich angeschlagen war, stellten die Bedingungen in Gelsenkirchen und Umgebung quasi das genaue Gegenteil dar.

Hinzu kam, dass die Strecke gefühlt nur aus Anstiegen bestand. Mir ist bewusst, dass das Quatsch ist, zumal es anderes als beim New York Marathon ein Rundkurs und keine getrennte Start-Ziel-Führung war, zwischenzeitlich fühlte mich aber genauso wie im hügeligen Land auf der anderen Seite des großen Teiches. Ich merkte, dass ich mit dem Trinken nicht mehr in dem Maße hinterherkam, wie es notwendig gewesen wäre. Während es zu Beginn noch schwer war, langsam zu Laufen, wurde es zunehmend schwerer, die Pace zu halten.

Die Strecke bot dagegen insbesondere zu Beginn viel Abwechslung. Kurz nach dem Start lief man aus der Stadt heraus durch – für mich – überraschend grüne Straßenzüge, um nach einigen Kilometern bereits das Highlight des Strecke zu erleben. Der Lauf führte, wie bereits angekündigt, durch die letzte noch aktive Zeche und auch wenn vom eigentlichen Betrieb nichts wahrzunehmen war, hatte die Strecke tatsächlich viel Charme.

Kurz darauf ging es dann durch Teile von Essen, bevor die Läufer wieder auf grüne Wanderwege geschickt wurden, die ich in der Form im Ruhrpott nicht erwartet hätte. Die zweite Hälfte gestaltete sich dagegen deutlich urbanisierter. Gladbeck und ein Ortsteil von Bottrop wurden zum Teil durchquert und am Wegesrand hatten sich einzelne Zuschauer zum Anfeuern verirrt.

Obwohl Marathonläufer, verschiedene Staffeln und der Halbmarathon sich den Großteil der Strecke teilten, hatte ich zumindest mit meiner entspannten Pace das Gefühl, dass die Veranstalter gut geplant hatten, so dass die Strecke auch an Engstellen nie überfüllt war. Möglicherweise bekam man weiter vorne einen anderen Eindruck, das kann ich nicht beurteilen, so dünnte sich das Läuferfeld aber insbesondere auf den letzten Kilometern trotz gemeinsamer Streckenführung zeitweise stark aus.

Dies mag auch daran liegen, dass die letzten Kilometer dann auch zugegebenermaßen schwer waren. Ein Marathon bleibt offenbar ein Marathon, auch wenn man diesen langsamer angeht und so durchlief ich nach 3 h 56:53 min die Zielgrade. Erschöpft, aber nicht zerstört, auch wenn das Duschen und Umziehen nach 42,195 km auch an diesem Tag etwas schwer viel. Doch bereits auf der Heimfahrt merkte ich, dass ich keinesfalls so kaputt war, wie nachdem ein oder anderen zügigeren Lauf in der Vergangenheit.

Und in der Tat fühle ich mich heute, einen Tag nach dem Lauf, so frisch, wie sonst nie nach einem Marathon. Die Beine sind etwas müde, aber während ich am Folgetag normalerweise an keinerlei Belastung denken mag, bin ich guter Dinge am Dienstag, zwei Tage nach dem Lauf, regulär mein Beintraining absolvieren zu können. Sollte auch dies noch gelingen, war der Vivawest Marathon in jeder Hinsicht ein voller Erfolg. In jedem Fall war es ein schönes Erlebnis. Die Strecke bot einige Highlights und der Veranstalter bot einen durch und durch sehr gut geplanten Lauf. Wer also in Zukunft im Mai einen Lauf im Ruhrgebiet sucht, dem kann ich den Vivawest Marathon guten Gewissens empfehlen. Am Ende wurde man zumindest 2019 zudem mit einer liebevoll gestalteten Medaille belohnt.

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Medaille Vivawest Marathon

Frank

9 Kommentar zu “Vivawest Marathon 2019: 42,195 km bleiben 42,195 km

  1. Die Medaille ist echt schön! Interessant, dass du mal in Bielefeld gelebt hast. Habe vor ein paar Tagen noch gelesen, dass es dort vor Jahren auch mal einen Marathon gab, was aber eine einmalige Veranstaltung bleiben sollte.
    Viele Grüße aus Detmold!

  2. Ich finde die Aufnahmen vom Marathon sehr interessant, weil man einen guten Eindruck bekommt. Hast du schon mal darüber nachgedacht per Voiceover ein paar Kommentare einzufügen?
    Z. B. wie es dir in dem Moment ging, oder was dir besonders aufgefallen ist?

    1. Die Frage kam schon mal auf. Ich seh die Aufnahmen aber in erster Linie als kleinen Bonus. Da noch großartig Aufwand reinstecken, wäre unverhältnismäßig 😌

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