Das zweite Paar Laufschuhe – Polygamie im Schuhschrank

Braucht man ein zweites Paar Laufschuhe? Oder besser gefragt: Brauche ICH ein zweites Paar? Über diese Frage wird sich sicherlich jeder Läufer über kurz oder lang bereits einmal Gedanken gemacht haben. Auch ich trug den Gedanken über viele Monate mit mir herum. Bis zuletzt beantwortete ich mir stets mit einem „Nein!“, was unterschiedliche Gründe hatte. Von rationalen Überlegungen, wie einem geringen Laufumfang, bis hin zu eher emotionalen Argumenten, wie Bequemlichkeit, war dies tatsächlich ein buntes Potpourri. Bis ich mich im letzten Monat doch zum Eingehen einer zweiten Beziehung einließ. Ich wurde meinen New Balance erstmals seit Jahren untreu.

Das erste Paar Laufschuhe

So viel sei an dieser Stelle bereits gesagt: Es gibt fraglos eine Vielzahl an Herstellern von Laufschuhen, die ich keineswegs im Überblick habe. Ich möchte mir keinesfalls ein Urteil über bessere oder schlechtere Marken erlauben. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass ich selbst bei meiner Anbieterwahl im Rahmen meines sportlichen Lebens recht konservativ war – zumindest was Laufschuhe betrifft.

Das erste Paar, welches ich mir ganz bewusst kaufte, um darin vernünftig zu laufen, war ein Modell von Adidas. Das muss irgendwann zwischen 2002 und 2003 gewesen sein. Ich wohnte zu dieser Zeit in meiner ersten eigenen Wohnung und machte die ersten selbstständigen Schritte im Leben. Das Abitur war erfolgreich beendet und ich versah zur damaligen Zeit meine Dienst bei der Bundeswehr.

Wenn ich mich genauer festlegen müsste, würde ich behaupten wollen, dass der Kauf sogar erst Mitte 2004 stattgefunden hatte. Im April des Jahres war ich aus einem sechsmonatigen Einsatz im Kosovo zurückgekehrt und hatte neben etwas Geld durch den Auslandseinsatz auch Motivation gesammelt, zumindest ab und an einen kurzen Lauf zu machen. Kurz ist dabei tatsächlich die richtige Bezeichnung. Die Strecke um den See in unmittelbarer Nähe des Vereinsheims meines Ringervereins war kaum länger als vier Kilometer.

Ich weiß noch, wie ich irgendwann mit einem Kumpel ganze drei Runden gelaufen war. Vermutlich war das Tempo so langsam wie ein heutiger Sonntagsspaziergang. Doch die Vorstellung, ganze drei Runden bewältigt zu haben, ließ mich damals fast vor mir selbst vor Ehrfurcht erzittern. Ich wüsste nur zu gerne, was mein damaliges Ich zu diesem Marathon-Projekt gesagt hätte. Zurück aber zu den Laufschuhen, denn mit den genannte Adidas beendete ich keine einzige Runde.

Blutige Füße

Ich weiß nicht, seit wann es Laufanalysen in Sportgeschäften gibt. Ich kann mich allerdings daran erinnern, dass es in dem Sportfachgeschäft, in das ich damals extra gegangen war, um nichts Falsches zu kaufen, kein solches Angebot bestand. Streng genommen war die Beratung praktisch nicht vorhanden, wie ich es Anfang 2019 dann auch erneut beim Kauf meiner Oakley Laufbrille erneut erleben durfte. Dass dies auch anders geht, soll später noch Thema sein. So verließ ich damals den Laden mit einem für meine Verhältnisse sehr teuren Paar Laufschuhe und der Hoffnung, für meinen Körper das Richtige getan zu haben. Noch am selben Tag sollte ich eines bessere belehrt werden.

Ich fuhr zur Ringerhalle, zu der ich einen eigenen Schlüssel besaß, so dass ich jederzeit trainieren konnte. Zog mich um und startete zu einer Runde um den See. Der Fuß fühlte sich im Schuh komisch an, doch ich ließ mich davon zunächst nicht aufhalten, bis ich nach gut der Hälfte abbrechen musste. Die Schmerzen waren unerträglich geworden und ein Blick in den Schuh zeigte mir eine rot gefärbte Socke. Ich hatte mir den Fuß blutig gelaufen. Kein Spaß.

Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass dies am Hersteller Adidas liegen würde. Die Tatsache, dass ich auf vielen Marathons inzwischen Vertreter des Adidas Running Teams gesehen haben und beispielsweise beim Dubai Marathon sogar die Schilder der professionellen Zuschauer vom selbigen gesponsert wurden, zeigt, das offenbar viele Menschen sehr gut mit den Schuhen klar kommen. Für mich war zumindest die Zehenbox des damaligen Schuhs zu eng, was sich im Rahmen einer vernünftigen Beratung sicher schnell herausgestellt hätte.

So musste ich den Rest des Weges halb humpelnd zurücklegen und durfte im Geschäft noch über die Rückgabe diskutieren: Ich habe die Situation tatsächlich bis heute nicht vergessen. Erst nach Aufforderung, mit dem Geschäftsführer sprechen zu wollen, bekam ich einen Umtausch zugesprochen. Dies war mir damals überaus unangenehm, da ich kein Mensch bin, der auf Krawall gebürstet ist. Doch ich fühlte mich schlichtweg betrogen. Einen dreistelligen Eurobetrag für eine Paar Schuhe empfand ich als immens viel Geld – und das ist es meiner Meinung nach auch heute noch.

Von Adidas über Asics zu New Balance

Nachdem ich das gesäuberte Paar Adidasschuhe mitsamt Karton zurückgegeben hatte, stand ich erneut vor der Frage, zu welcher Marke ich nun greifen sollte. Die Beratung hatte sich keinesfalls verändert, so dass ich auch im zweiten Anlauf auf mein Bauch- oder besser mein Fußgefühl angewiesen war. Dieses Mal entschied ich mich für ein Ascics Exemplar, in dem mein Fuß sich deutlich besser eingebettet anfühlte. Ich lief damals im Laden noch kurz auf und ab, bevor ich mich schließlich für den Kauf entschied. Von da an sammelte ich Kilometer.

Ich habe leider keine Aufzeichnungen mehr aus dieser Zeit und war in jedem Fall maximal ein Gelegenheitsläufer kurzer Strecken, allerdings müsste ich dieses Paar mindestens bis Ende 2009 genutzt haben. Damals begann ich bei der Polizei und erhielt vom Dienstherrn ein neues Paar Schuhe. Wieder ein Modell von Adidas, welches diesmal jedoch passte und die inzwischen deutlich in die Jahre gekommenen Asics ersetzten. Ich hatte mir zuvor nie Gedanken über die Abnutzung von Schuhe gemacht. Nachdem ich aber den Tausch vollzogen hatte, realisierte ich, wie sehr meine Treter ihren Zenit überschritten hatten.

Während den ersten Monaten nutzten ich schließlich die dienstlich gelieferten Laufschuhe. Im zweiten Studienjahr kam ich mit einem Kollegen in Kontakt, der sich inzwischen Ironman-Teilnehmer nennen darf und bereits damals den Sport ambitioniert und erfolgreich verfolgte. Dieser sensibilisierte mich in Gesprächen erneut für eine vernünftige Schuhwahl. In der Konsequenz entschloss ich mich Anfang 2011 dazu, noch einmal ein Paar in einem Fachgeschäft zu erwerben.

An den genauen Ablauf der Laufanalyse kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Ergebnis war jedoch, dass man mir ein Paar New Balance empfahl. Ich habe bis heute die Systematik der Zahlenkombinationen des Bostoner Unternehmens nicht wirklich verstanden. Mag sein, dass diese sogar sehr einfach ist. Meine in der Vergangenheit mehrfach durchgeführten groben Recherchen ergaben jedoch nie eine klare Antwort. Ich weiß allerdings noch, dass es ein MR759SR war.

Dies liegt nicht daran, dass ich eine Inselbegabung hätte oder mir neuerdings entgegen meiner sonstigen Veranlagung komplizierte Zahlen- oder Buchstabencodes merken könnte. Vielmehr bestellte ich mir dieses Modell immer wieder. Aufgrund der Lebenszyklen der Hersteller gab es den Schuh schon beim ersten Nachkauf nicht mehr. Ebay und kleine Händler im Internet machten es mir aber möglich, dass ich drei oder vier Paare des oben genannten Modells nacheinander trug.

Irgendwann war diese Zeit jedoch vorbei. Ich landete bei den New Balance 880, die seitdem regelmäßig in der Versionsnummer erhöht werden, ohne dass für mich ein klar erkennbarer Unterschied bestehen würde. An dieser Stelle sei nochmals betont, dass ich keinesfalls ein Schuhexperte bin. Ich empfinde nicht nur beim Bostoner Hersteller die Systematik unübersichtlich.

Bis vor wenigen Wochen hätte dieser Eintrag an dieser Stelle enden können. Wie in einem Märchen, hätte der letzte Satz lauten können: Und wenn er nicht gestorben ist, so läuft er im aktuellen 880er Modell noch heute. Doch wie der Titel bereits zu Beginn verriet, kam mir ein zweites Paar Schuhe ins Haus, das ich seitdem parallel nutze. Die Rückkehr zu einer alten Liebe wäre vielleicht eine übertriebene Formulierung. Es war aber in jedem Fall ein Besinnen auf die vergangenen Tag.

Nach einigen Jahren kehrten Asics in mein Laufleben zurück.

Alte Liebe rostet nicht: Die Rückkehr von New Balance zu Asics?

Die Gründe für die Anschaffung eines zweite Schuhpaares werden den meisten Lesern vermutlich bekannt sein. Schließlich werden diese seit Jahren praktisch von jedem Experten gebetsmühlenartig wiederholt: Wer regelmäßig die Laufschuhe schnürt, beansprucht das Material seiner Treter nicht nur offensichtlich im Sohlenbereich, sondern auch im Innenleben. Dieses wiederum soll bei einer Dauernutzung schneller verschleißen, als wenn den Schuhen insbesondere bei zeitnahen Läufen längere Erholungspausen ermöglicht werden, indem man auf ein Zweitpaar ausweicht bzw. die Paare abwechselnd trägt. Als Faustformel werden immer wieder drei oder mehr wöchentliche Einheiten als Grenze, ab wann ein Zweitpaar sinnvoll ist, genannt.

Der zweite Punkt, vor dem immer wieder gewarnt wird, ist eine zu einseitige Belastung der Füße, wenn ständig nur mit einem Paar Schuhe gelaufen wird. Aus diesem Grund wird regelmäßig zur Anschaffung eines alternativen Schuhmodells geraten. Der Körper soll so unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt bzw. der Bewegungsapparat komplexer trainiert werden.

Wie beim Kauf des ersten Laufschuhs ist das Fußgefühl auch bei weiteren Modellen ein wichtiger Faktor. Der Schuh sollte sich „wie angegossen“ anfühlen. In jedem Fall sollte es kein drückender Fremdkörper sein, der mehr Unwohlsein als Sicherheit vermittelt. Entsprechend entschloss ich mich zu einer recht pragmatischen Vorgehensweise: Ich ging in ein Laufgeschäft, erklärte grob meine Situation und bat darum, das Äquivalent zu meinem 880er Modell von der Firma Ascis zu erhalten. Schließlich verband ich mit diesem Hersteller gute Erinnerungen. Es war für mich somit die naheliegende Wahl.

Wenige Augenblick später hielt ich meine Asics Cumulus 21 in der Hand bzw. trug diese probeweise am Fuß. Ich nahm das gewünschte Gefühl wahr. Inzwischen habe ich mit größeren und kleineren Läufe etwas über 100 Kilometer in den Cumulus gesammelt und trug diese unter anderem beim Bestzeitmarathon in München. Dort gelang es mir, meine schnellste Zeit in diesem Jahr auf die Strecke zu bringen.

Polygamie im Schuhschrank: Das zweite Paar Laufschuhe

Im direkten Vergleich würde ich sagen, dass der Asics etwas komfortabler am Fuß anliegt. Dazu muss ich sagen, dass ich aktuell beide Modelle regelmäßig und unabhängig von der Länge des Laufes wechsle. Ob meine Füße tatsächlich muskulär anders gefordert werden, vermag ich nicht zu sagen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich allerdings bestätigen wollen, dass das Laufgefühl ein anderes ist. Der Körper erlebt mehr Variation. In jedem Fall würde ich mein zweites Paar Laufschuhe schon jetzt nicht mehr missen wollen.

Frank

4 Kommentar zu “Das zweite Paar Laufschuhe – Polygamie im Schuhschrank

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