Nachdem die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft der GNBF mit einer zufriedenstellenden Form und einem unerwarteten dritten Platz endete, entschied ich mich vor drei Wochen relativ spontan dazu, noch einen zweiten Wettkampf auf der Bodybuildingbühne in Angriff zu nehmen. Dieses Mal sollte der Start bei der Norddeutschen Meisterschaft des NAC stattfinden, wo ich bereits im Frühjahr 2011 und 2018 in der Athletik-Klasse bis 175 cm Körpergröße teilgenommen hatte. In diesem zweiten Anlauf auf die Bodybuildingbühne lief nicht alles wie gewünscht und endete dennoch (erneut) mit einer unerwartet guten Platzierung.
Manchmal sind nicht alle guten Dinge drei
Nachdem ich am Sonntag noch den Bestzeitmarathon 2019 in München gelaufen war und mit 3 h 27:45 min mein kleines Jahreshighlight erreichte, startete am letzten Sonntag damit auch die dritte Speedweek innerhalb von sechs Wochen inklusive Salzladen, was mich jedes Mal an die Kotzgrenze bringt. Die zwei Wochen nach dem Wettkampf bei der GNBF überbrückte ich mit einem leichten Kaloriendefizit, was vielleicht auch seinen Teil zur guten Zeit in München beitrug. Nun hieß es jedoch noch ein letztes Mal verzichten.
Während ich die beiden Speedweeks zuvor regulär arbeiten musste, hatte ich in dieser Woche Urlaub, der aufgrund Urlaubs der Tagesmutter im Gegensatz zur Wettkampfteilnahme bereits lange geplant war. Ich hatte somit keine sonderliche Ablenkung vom Essen und zu allem Überfluss ging zu Hause das Fieber um, so dass ich zum einen Bedenken hatte, mich nicht anzustecken, und zum anderen als Krankenpfleger einspringen musste. Das tat ich gern, allerdings zerrt ein kleines Kind mit krankheitsbedingten Stimmungsschwankungen und nächtlichen Fieberschüben, bei denen man als Elternteil nicht nur geweckt wird, sondern sich auch Sorgen macht, ein wenig an den Nerven.
Zumindest an mir ging all dies trotz aller mentaler Entspannungstechniken nicht spurlos vorbei, weshalb die Woche alles andere als optimal verlief und ich bei der geplanten Kalorienreduktion auch nicht ganz so am Limit blieb, wie ich es die beiden Durchläufe zuvor getan hatte und ein drittes Mal umsetzen wollte. Es gab keine Fressanfälle oder ähnliches, aber ich agierte nicht so sehr am Limit, wie es für eine optimale Form erforderlich gewesen wäre.
Vermutlich spielten viele Faktoren in diese Situation mit Hinein. Die nervliche Belastung, die fehlende Ablenkung und auch einfach die Tatsache, dass es der dritte Durchlauf innerhalb so einer kurzen Zeit war. Irgendwann hat jeder Mensch irgendwo seine Grenzen und meine war vermutlich erreicht, was ich jedoch nicht als Ausrede missverstanden wissen möchte.
Im Ergebnis war ich am Freitag mit 71,8 Kilogramm gut ein Kilogramm schwerer als drei Wochen zuvor, wobei dazu gesagt werden muss, dass ich das Salz diesmal etwas länger zuführte, um die Wasserausscheidung besser zu timen. Ich hatte in den vergangenen Jahren bereits für Kraftdreikämpfe unzählige Male Watercuts mit Hilfe von Salz gemacht, doch dieses Vorgehen probierte ich in dieser Woche das erste Mal aus und würde es vermutlich in dieser Form nicht noch einmal machen. Auch dies soll keine Ausrede sein, sondern nur einen Einblick in meine Gedanken geben. Es kann auch nicht immer alles gelingen und Fehler gehören zum Leben dazu.
Der Harndrang war über den Tag verteilt zwar deutlich gegeben und die Beine waren frei, allerdings wäre ich am Freitag am liebsten zu Hause geblieben und haderte mit mir, am nächsten Morgen zur Meisterschaft zu fahren. Viel Zeit, darüber nachzudenken, blieb allerdings sowieso nicht, da meine gesamte Aufmerksamkeit und Zeit zu Hause in Anspruch genommen wurde.

Bad Fallingbostel statt New York
Der Wettkampf selbst fand im nur wenige Kilometer entfernten Bad Fallingsbostel statt, was ein weiterer Grund für die spontane Teilnahme war. Ich war hatte mir eine entspannte Anreise ohne großen logistischen Aufwand erhofft, was im Großen und Ganzen auch der Fall war. Während ich vor fast genau einem Jahr beim New York Marathon 2018 durch die Straßen der amerikanischen Metropole lief, ging es diesmal im Posingslip mit brauner Farbe angemalt auf die Bühne in der niedersächsischen Provinz.
Pünktlich an der Halle angekommen, reihte ich mich in die Schlange der Athleten ein, die sich für den Wettkampf anmelden wollten. Ich war in meinem Leben nun bereits auf unzähligen Bodybuilding-Wettkämpfen. National, wie international. Profis, wie Amateure. Als Berichterstatter, Betreuer und auch Athlet bei drei verschiedenen Verbänden. Dennoch fiel es mir insbesondere im direkten Vergleich zu den Eindrücken von vor drei Wochen diesmal verstärkt auf, in welchem Ausmaß viele Athleten bei der NAC dem stereotypischen Erscheinungsbild eines Bodybuilders entsprechen, was der Otto-Normal-Bürger haben wird.
So viele grimmig guckende Männer in Jogginghosen mit Gürteltaschen und Glatze findet man wohl nur zu wenigen anderen Anlässen an einem Ort versammelt, was ich mit einem kleinen Augenzwinkern verstanden haben möchte. Meine Erfahrung ist, dass der Großteil der Jungs genauso anständig sind, wie der Querschnitt der Gesellschaft, und sich einfach mit diesem Sport vollends identifiziert.
Gerade als Soziologie ist mir die Identitätsbildung mit Hilfe von Artefakten (Kleidung oder Darstellung des äußeren Erscheinungsbildes) sehr bewusst und manchmal erfüllt man Stereotype schließlich auch gezielt, um seine Zugehörigkeit auszudrücken. Dennoch dürfte es für Leute außerhalb der Subkultur manchmal etwas befremdlich wirken, was möglicherweise auch ein Grund ist, dass bei einer Norddeutschen Meisterschaft des NAC insgesamt weniger als 100 Athleten an den Start gingen, wohingegen dies so ziemlich jede Marathonveranstaltung in Deutschland überbieten dürfte.
Während ich bei der GNBF nochmals vor Ort gemessen wurde, genügte bei der NAC wie schon in der Vergangenheit das Vorlegen des Ausweises, so dass man in seine Klasse eingeteilt wurde. Die Waage absolvierte ich in voller Bekleidung, schließlich war es nur relevant, ob ich innerhalb des Gewichtslimits blieb. Die für mich erlaubten 77 Kilogramm sind für mich in Wettkampfform völlig utopisch, weshalb die Waage in diesem Leben keine Herausforderung darstellen sollte.
Nachdem ich eine gute halbe Stunde mit der Anmeldung durch war, lag mein erster Tanning-Termin bereits 10 Minuten in der Vergangenheit. Während ich mir 2011 noch selbst Farbe auftrug (bzw. auftragen ließ), nahm ich 2018 erstmals den Service in Anspruch, die Wettkampffarbe professionell aufgetragen zu bekommen. Damals verzögerte sich die Anmeldung ähnlich wie am gestrigen Tag, doch im Gegensatz zu 2018 machte ich mir diesbezüglich diesmal keinen Stress, da ich wusste, dass der Tanning-Anbieter sich selbst im Klaren darüber ist, dass auf seinen Zeitplan in der Warteschlange zur Anmeldung keine Rücksicht genommen wird.
Ich brachte also noch schnell meine Sachen weg, was sich als gar nicht so leicht herausstellte, da praktisch der gesamte Backstagebereich voll war. Gefühlt lagen bereits überall Athleten, so dass ich selbst mich in eine Reihe an Iso-Matten mitten in einen Gang einreihte, bevor ich mich in die Katakomben für meinen ersten Anstrich aufmachte. Gut zwei Stunden später folgte die zweite Schichte, so dass es dann auch schon nur noch Warten hieß. Die Zeit verbrachte ich mit Musik auf den Ohren auf meiner Matte und empfand die Atmosphäre trotz aller Enge nicht als stressig.

Der Wettkampf
Dies mag auch an der guten Organisation des Verbandes gelegen haben. Die Meisterschaft begann pünktlich und innerhalb der ersten Stunde wurde auch meine Klasse bereits auf die Bühne gerufen. Neben mir starteten neun weitere Teilnehmer in der Athletik II, was zahlenmäßig für eine der vier regionalen Qualifikationswettkämpfe eine ungewöhnliche große Anzahl für diese Klasse war. Während wir 2011 lediglich vier Teilnehmer waren, standen im Frühjahr 2018 mit sieben Wettkämpfer bereits eine relativ große Anzahl in der Athletik-Klasse bis 175 cm auf der Bühne. Bei meiner spontanen und unvollständigen Recherche konnte ich auch keine Saison finden, in der bei einem der vier regionalen Meisterschaften des NAC so viele Sportler in der Athletik II an den Start gegangen waren.
Ich selbst machte mir keine Gedanken über meine Platzierung. Ich war mit der eigenen Form unzufrieden und wollte den Wettkampf nur noch so seriös wie möglich über die Bühne bringen. Gemeinsam mit den anderen neun Startern trat ich auf die Bühne und nachdem die ersten fünf Athleten die vier Posen des Line Ups beendet hatten, war meine Gruppe dran. Während ich nun allerdings damit gerechnet hatte, dass wir noch einmal zurücktreten, bevor die Pflichtposen abgerufen werden, fügte man dies bei uns gleich an und rief erst dann die erste Gruppe nochmals nach vorne.
Wer noch nie auf der Bühne stand, kann nur schwer nachvollziehen, wie anstrengend es im dehydrierten Zustand ist, unter brennenden Scheinwerfern den gesamten Körper anzuspannen, weshalb die Entscheidung der Jury, keine kurze Verschnaufpause zu bekommen, mich für eine Sekunde überrumpelte. Nachdem das restliche Feld schließlich ihre Pflichtposen beendet hatten, wurde auch schon die Stimmzettel ausgewertet, um den ersten Vergleich aufzurufen. Ich war dabei. Top 5. Damit hatte ich heute nicht gerechnet!
So hieß es noch einmal im direkten Vergleich alle Muskeln anzuspannen, bevor der zweite Teil des Feldes zu einem zweiten Call Out gerufen wurde und schließlich noch ein dritter Vergleich vor die Jury trat, bei der rückblickend nochmal die Plätze 4 bis 8 sortiert wurden, denn so viel sei schon einmal gesagt: Mein Wettkampf war bereits zu Ende und ich wartete mit anderen Startern im hinteren Bereich der Bühne, bis es eine Minute Posedown gab und man schließlich die Bühne verließ.
Nun hieß es warten. Während bei der GNBF die Siegerehrung sofort auf der Bühne erfolgte, wurde bei der NAC auch in der Vergangenheit zunächst der gesamte Wettkampf umgesetzt, bevor die Plätze bekannt gegeben wurde. Aus Veranstalterperspektive verstehe ich diese Überlegung vollkommen. So kann niemand mit seinem Anhang im Publikum nach Hause fahren, so lange auf der Bühne noch um Wertungen gekämpft wird.
Auf der anderen Seite will man als Athlet auch Trinken und Essen, und wenn man wie ich nichts mit einem späteren Gesamtsieg zu tun hat, gibt es auch nicht viele Gründe, die Form zwei oder drei Stunden später noch einmal so gut wie möglich auf die Bühne zu bekommen. In der Konsequenz riskiert man auf den Fotos der Siegerehrung schlechter auszusehen, als es nötig gewesen wäre, was wiederum auch nicht im Sinne der Außenwirkung für den Veranstalter sein kann. Wie gesagt, ich kann die Entscheidung nachvollziehen und am Ende ist es ein Abwägen von Argumenten, die man unterschiedlich gewichten kann.
Siegerehrung und Epilog
Kurz nach 18 Uhr ging es dann auch zur Siegerehrung bereits erneut auf die Bühne. Ich schrieb bereits, dass die Veranstaltung gut organisiert war. Die Veranstalter schafften es mit straffen Tempo durch die Meisterschaft zu führen, so dass es zu keinen unnötigen Verzögerungen kam. Dies hatte ich in der Vergangenheit als Berichterstatter auch schon deutlich anders erlebt.
Nachdem die Top 5 bekannt gegeben wurde und die restlichen Teilnehmer eine Medaille erhielten, wurden die einzelne Plätze nach und nach aufgerufen. Ich blickte nach rechts und links, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Als Athlet hat man keine Ahnung, wie man auf der Bühne im Licht wirkt. Man sieht die Konkurrenz nur im Hinterbühnenbereich, so dass ich durchaus mit dem ein oder anderen Athleten neben mir gerechnet hatte, der nun jedoch außerhalb der Top 5 platziert wurde. Entsprechend war mir klar, dass es heute eigentlich nicht der fünfte Platz sein dürfte.
Als dann aber auch der vierte Platz aufgerufen wurde, war die Freude durchaus groß. Meine Form war nicht so gut, wie sie hätte gewesen sein können, da gibt es nichts zu beschönigen. Die beiden Jungs, die mit mir noch auf der Bühne standen, werden das Gewichtslimit vermutlich etwas mehr ausgeschöpft haben, so dass ich mit dem dritten Platz mehr als zufrieden sein durfte – und auch bin.

Darüber hinaus bin ich froh, dass Wettkämpfe, bei denen es darauf ankommt, wie ich in Unterhose aussehe, erstmal wieder vorbei sind und ich mich auf messbare Leistungen konzentrieren kann, die mir schon immer sympathischer waren. Auch wenn das Laufen eines Marathons bekanntermaßen von vielen Faktoren abhängig ist. Für mich steht als nächstes die Norddeutsche Meisterschaft im Kraftdreikampf in zwei Wochen auf dem Plan, bevor es Ende November schließlich zum Philadelphia Marathon 2019 gehen soll. Nummer 20 wartet…

Ich lese gebannt mit, bin total fasziniert davon, wie Du das alles so erfolgreich unter einen Hut bringst. Die für die verschiedenen Disziplinen nötigen Strategien scheinen oft so unvereinbar. Du beweist, dass es möglich ist. Aber ich lese schon auch heraus, wie alles bis ins Feinste durchdacht ist und auch durchgezogen werden muss. Präzisionsarbeit. Toll, gratuliere!