Ich hatte richtig Schiss! Anders kann man meine Gefühle im Vorfeld des Rhein-Ruhr-Marathons 2022 in Duisburg nicht beschreiben. Nachdem ein Bandscheibenvorfall zu Beginn des Jahres in gewisser Weise eine Zäsur dargestellt hatte, kämpfe ich mich am Ende schneller als erhofft wieder auf die Marathonstrecke. Dennoch, oder gerade deswegen fühlte ich mich, als ob ich noch nie in meinem Leben Marathon gelaufen wäre.
Duisburg war nie der Plan!
Jeder, der schon erste Marathonerfahrungen außerhalb seiner eigenen Heimatstadt gemacht hat und vielleicht bereits an dem ein oder anderen Ereignis teilnahm, wird eine mehr oder weniger offizielle Liste haben, welche Läufe man gerne noch absolvieren würde. Sein es die Major Marathons, besonders außergewöhnliche Rennen wie der Marathon auf der chinesischen Mauer, oder auch nur ein Lauf in einer Stadt, die man schon immer einmal besuchen wollte. Ich selbst zumindest habe solch eine Liste im Hinterkopf, die so manchen Marathon im In- und Ausland beinhaltet. Duisburg war jedoch nie auf dieser.
Es ist einer dieser Marathons, die aus dem Kalender heraus entstehen, wenn man dies so ausdrücken will. Hatte ich zu Beginn dieser Reise in 80 Marathons um die Welt noch eine festere Taktung, stellte ich spätestens mit Verzicht auf die Reise zum Jerusalem Marathon fest, dass sich so ein Unterfangen nicht am Reißbrett planen lässt. Auch diese Erkenntnis war Teil der Reise und stellte einen Prozess dar, der inzwischen an dem Punkt angekommen ist, dass ich mir einige Highlights im Jahr heraussuche und anschließend kurzfristiger versuche mir über den nächsten Lauf Gedanken zu machen.
Als der Heilungsprozess gut verlief, schaute ich mir entsprechend mögliche Läufe im Juni oder Juli 2022 an, was gar nicht so einfach ist. Während im Frühling und Herbst die großen Marathonrennen stattfinden, sind im Winter und Sommer tendenziell weniger oder kleinere Rennen im Kalender zu finden. Dies mag insbesondere der Witterung geschuldet sein, denn ich wusste schon aus den Vorjahren, dass ein Marathon im Sommer alles andere als ein reguläres Rennen darstellt. Es hat seinen Grund, dass eine Großveranstaltung wie der Luxemburg Marathon am frühen Abend seinen Anfang nimmt.

2,5 Stunden Anreise und trotzdem ins Hotel
Was den Informationsfluss im Vorfeld betrifft, gehört der Duisburg Marathon zu den besseren Veranstaltungen. Ich erlebte schon einige Läufe, bei denen das Herausfinden der Startzeit oder des konkreten Startortes eine echte Herausforderung war. Beim Rhein-Ruhr-Marathon waren die Informationen dagegen bereits im Vorfeld gut auf der Homepage nachzulesen. Kurz vor dem Rennwochende gab es zudem noch eine Mail mit allen Informationen.
Auch wenn die Anreise nur etwas mehr als 2,5 Stunden betrug, entschied ich mich dieses Mal dazu, mir ein Hotel zu nehmen. Ich hatte schon längere Anreisen am Wettkampftag in Kauf genommen, aber wie ich eingangs bereits betonte: Ich fühlte mich, als wäre ich noch nie Marathon gelaufen. In dem Bewusstsein, an den Temperaturen am Renntag oder der Anspannung im Vorfeld nicht viel ändern zu können, wollte ich zumindest möglichst ausgeruht an den Start gehen.
Die Hinfahrt war unproblematisch, aber kräftezerrend. Nachdem ich von Freitag auf Samstag noch bis nach Mitternacht gearbeitet hatte und erst um 3 Uhr ins Bett gekommen war, fühlte ich mich am Anfahrtstag, als ob ich den Marathon bereits gelaufen wäre. Entsprechend froh war ich über meine Entscheidung und freute mich bereits auf das Hotelfrühstück, von dem ich mir im Sinne einer Routineeinhaltung eine gewisse Sicherheit erhoffte.
Vor mir checkte eine junge Frau ein, die nur Englisch sprach, aber offenbar ebenfalls zum Marathon wollte. Als die Rezeptionistin sie fragte, ob sie auch ein Frühstück buchen wollte, lehnte sie dies ab, da sie das Hotel bereits halb 7 verlassen würde. Ich war etwas überrascht, warum sie sich bereits zwei Stunden vor dem Start des Marathons auf den Weg machen wollte, dachte mir aber zunächst nichts dabei. Meine Beobachtung ließ jedoch nicht los und ich schaute noch einmal in die ausführlichen Läuferinformationen.
Nachdem ich die Informationen zur Anreise bestimmt bereits ein halbes Dutzendmal gelesen hatte, stellte ich erst bei diesem Mal fest, dass die Zufuhrt zu den Parkplätzen ab 7 Uhr gesperrt sein würde. Na toll. Also doch kein Frühstück im Hotel und auch nicht so viel Schlaf, wie ich es mir erhofft hatte.
Abholen der Startnummer: Wo sind alle?
Nach der kurzen Enttäuschung legte ich meine Sachen im Hotelzimmer ab und machte mich auf den Weg zum Stadion, wo am nächsten Tag der Marathon starten sollte. Die Startnummernausgabe sollte mit einer kleinen Marathonmesse verbunden sein, wie in den Vorabinformationen angekündigt wurde. Ich erwartete entsprechend ein paar Menschen mit Laufbeuteln im Umfeld des Stadions zu sehen. Dies war nicht der Fall. Ich sah praktisch niemanden und dachte zeitweise bereits, die falsche Adresse in mein Smartphone eingegeben zu haben.
Wie sich herausstellen sollte, war ich richtig, nur relativ allein. Obwohl ich die Zahl von knapp 5000 Teilnehmer bezogen auf das gesamte Rennwochenende im Vorfeld gelesen hatte, war auf der kleinen Messe in der ersten Etage des Stadions kaum ein Mensch zu sehen. Ich weiß nicht, ob es am guten Wetter oder der fortgeschrittenen Uhrzeit lag, aber sowohl an den Ständen als auch bei der Startnummernausgabe waren kaum andere Läufer anzutreffen. Ich war gespannt, wie die Stimmung am nächsten Tag sein sollte, wenn der Marathon sein großes Finale im Stadion haben würde.






Präventives Aufwachen vor dem Wecker
In der Nacht wachte ich mehrere Male auf, weil mein Magen rumorte, schlief aber jedes Mal unverzüglich wieder ein. Kurz vor dem Wecker wurde ich wach und als dieser ein paar Minuten später schrill erklang, beschlich mich der Verdacht, dass dies purer Selbstschutz meines Körpers war. Seitdem ich im Schlafzimmer einen Lichtwecker habe, werde ich mich wohl nie wieder an ein akustisches Wecksignal gewöhnen. Nach ein wenig Morgen-Mobility aß ich mein am Abend zuvor gekauftes Essen zum Großteil im Hotelzimmer, bevor es kurz nach 6 Uhr auch bereits zum Auto ging.

Wie ich feststellen durfte, war der direkte Weg zum Stadion, den ich noch am Vortrag zu Fuß gegangen war, bereits gesperrt, so dass ich mich vom Navi über ein Autobahnstück zum Parkplatz leiten ließ. Dort war, wie versprochen, mehr als genügend Platz. Um mich herum holten einzelne Starter jetzt erst ihre Startnummern ab und gefühlt sah ich mehr Rollerskater, die kurz vor den Läufern ihren Start haben sollten, als Läufer. Ich nutzte die Zeit für ein paar Atemübungen, was ich vor Wettkämpfen gerne tue, wenn die Ruhe vorhanden ist, und machte mich schließlich selbst auf den kurzen Weg zum Start.
Der Rhein-Ruhr-Marathon 2022 verlief nicht nach Plan
Es war geplant, dass der Rhein-Ruhr-Marathon 2022 um 08:30 Uhr starten sollten, doch daraus wurde nichts. Nachdem eigentlich bereits am Vortag entsprechende Parkverbote umgesetzt worden sein sollen, hätte es in der Nacht einige PKWs gegeben, die auf der Strecke verbotswidrig abgestellt wurden. Offenbar zählten die Duisburger Abschleppunternehmen nicht zu den Frühaufstehern an diesem Tag. So kam kurz bevor die Skater auf die Strecke gegangen wären die Durchsage, dass sich der Start verzögern würde.
Zunächst sollten es laut Ansage knapp 10 Minuten werden. Am Ende warteten die Marathonläufer in Duisburg aber eine ganze Stunde, bevor es tatsächlich losging. Die Aussicht, noch mehr Zeit in der heißen Mittagssonne verbringen zu dürfen, erfüllte mich nicht unbedingt mit Freude. Dennoch war ich froh, mich bei den Socken an diesem Tag für eine kurze Variante entschieden zu haben. Generell bevorzuge ich die Kompressionsvariante, aber der Nachteil durch die geringere Hitzeabgabe bei entsprechenden Temperaturen war mir für den Wettkampf zu groß.
Doch was des einen Leid, des anderen Freud, um das Sprichwort einmal umzukehren. Während ich wartete, sprach mich plötzlich jemand an, dass ich doch Frank wäre. Wie sich herausstellte, hatte mich Michael Matheis ausfindig gemacht. Michael schrieb mir über Instagram bereits mehrfach. Er habe versucht mich in Berlin, Köln und zuletzt sogar Amsterdam einmal persönlich zutreffen, wenn wir schon mal gemeinsam bei einem Marathon starteten. Nie hatte es geklappt. So signierte ich für ihn mein Buch Hybridathlet, welches seine Frau extra für ihn zum Start mitbringen musste. Danke auf diesem Weg also auch noch einmal für das nette Feedback!

Marathon in Duisburg: Wo sind alle?
Ich hatte keine Vorstellung über meinen Fitnessstand und ordnete mich am Start recht weit hinten ein. Schon nach wenigen Metern merkte ich, dass dieses Tempo jedoch deutlich zu langsam war. Ich schloss mich also der Gruppe mit den 3-45-Pacemakern an. Gut drei Kilometer vergingen. Zunächst überlegte ich, das Rennen auf diese Weise anzugehen, doch entschied mich schließlich anders. Das Tempo war ein wenig zu langsam für einen bequemen Laufstil, so dass ich das Rennen doch mit mehr Geschwindigkeit anging.
Ich machte mir immer wieder bewusst, mitten in die Mittagssonne hineinzulaufen, so dass es keine Frage war, OB ich einen Einbruch erleiden würde, sondern nur WANN und WIE STARK dieser ausfallen würde. Mein Plan war es, die 3-45-Gruppe mindestens bis 15 Kilometer vor dem Ziel hinter mir zu behalten. Auf diese Weise hätte ich einen 15-minütigen Puffer für die 4-Stunden-Pace und könnte mir ein langsameres Tempo erlauben. Doch bis dahin waren noch einige Kilometer zu laufen und dies geschah mehr oder weniger allein.
Ich weiß nicht, ob es am verspäteten Start lag, aber entlang der Strecke waren kaum Zuschauer zu sehen. Obwohl die ersten Kilometer mitten durch Wohnviertel führen, die wiederum aber auch nicht sonderlich ansehnlich waren. Einen deutlich bessere Eindruck hinterließ der zwischenzeitliche Abstecher ins Grüne, der mit einigen Brückenüberquerungen verbunden war. Zunächst über die Ruhr, später über den Rhein – ein wenig New York Marathon Feeling kam auf.





Wasser, Wille…
Anders als beim Marathon an der us-amerikanischen Ostküste waren die Temperaturen in Duisburg aber alles andere als kühl. Bereits auf den ersten Metern begann die Sonne zu brennen und mein Hals trocken zu werden. Dahingehend waren die Veranstalter gut vorbereitet, in dem eine Vielzahl an Verpflegungsständen angeboten wurden. Ich selbst nutzte erstmals in einem Rennen einen Schwamm. Nach Läufen wie dem Vivawest Marathon vor drei Jahren oder dem Luxemburg Marathon wusste ich, was die Temperaturen ausmachen würden und hatte den mobilen Wasserspeicher dennoch in vergangenen Rennen immer wieder ignoriert.
Rückblickend darf ich mich selbst dazu beglückwünschen, dieses Mal anderes entschieden zu haben. Ein gewisses Maß an Muskulatur hat auch für einen Marathonläufer Vor- und Nachteile. Muskeln machen also nicht zwangsläufig langsamer. Sie führen aber in jedem Fall dazu, dass der Körper stärker erhitzt. Bei Temperaturen über 20 Grad im Schatten verstärkte sich dieser Effekt umso mehr. Insbesondere, wenn es keinen Schatten gibt.
Das Wasser war an diesem Rennwochenende die erste Säule, die mich ins Ziel trug. Daneben war es aber auch meine Dickköpfigkeit. Sechs Monate war mein Bandscheibenvorfall nun her und bisher war ich alle meine Marathons unter vier Stunden gelaufen. Ich wollte es nicht akzeptieren, dass heute der Tag sein sollte, an dem sich daran etwas ändern würde.

…und Wolken
So ging mein Plan zunächst gut auf. Die Halbmarathondistanz bewältige ich deutlich unter zwei Stunden. Gleichzeitig kamen die ersten Gedanken auf, nur noch Gehen zu wollen. Ich widerstand. Irgendwo ab Kilometer 30 wurde es dann aber zunehmend schwerer. Die Pace brach nun langsam ein und die in der zweiten Hälfte etwas zahlreicheren Zuschauer an der Strecke konnten hieran nichts ändern. Die 3-45-Pacemaker hatte mich bei Kilometer 27 kassiert, was soweit alles noch im Plan war. Doch nun wurde ich zunehmend langsamer und hatte das Gefühl zu verglühen. Doch das Blatt wendete sich.
Plötzlich wurde es spürbar angenehmer. Wolken schoben sich vor die pralle Mittagssonne und mein Zeitpuffer war groß genug. Ich legte ein, zwei kleinere Gehpausen ein, die jedoch jedes Mal nur wenige Meter lang waren und zu keinen Einbrüchen in der Pace sorgten. Am Ende sollte ich die Ziellinie in 3 h 56:00 min überqueren. Ich war den Marathon in Duisburg in unter 4 Stunden gelaufen und es wurde noch nicht einmal mein langsamstes Rennen.






Das Finale im Stadion war dabei ebenso unspektakulär, wie der Start des Rhein-Ruhr-Marathons. Ich hatte ähnliche Zieleinläufe bereits in Kassel, Luxemburg oder Amsterdam erlebt. So ruhig, wie in Duisburg war es aber weder dort noch in den meisten anderen Zielbereichen.
Die vierte Holzmedaille
Im Ziel gab es für jeden Finisher eine Rose. Was es damit auf sich hatte, erschloss sich mir vor Ort nicht und ich verzichtete darauf. Schließlich war ich nur für die Medaille gekommen. Diese war wie bereits beim Köln Marathon und den Schweriner Ultraläufen aus Holz. Ich weiß, dass Veranstalter mit Nachhaltigkeit und ähnlichen Argumenten aufwarten. Allerdings ist eine Medaille in gewisser Weise eine Erinnerung für den Rest des Lebens. So richtig bin ich immer noch nicht von den Holzvarianten überzeugt.
Da es vor Ort keine Duschen gab, wechselte ich am Auto das Oberteil und legte mir auf dem Sitz etwas unter die Hose, um zum naheliegenden McFit zu fahren. Seit Anfang des Jahres habe ich wieder eine Mitgliedschaft und meine Frau brachte mich auf die Idee, wie ich trotz des frühen Checkouts im Hotel nicht ungeduscht nach Hause fahren musste. Dahin ging es dann im Anschluss auch. Schließlich hatte ich noch versprochen wie jeden Sonntag beim Stalldienst zu helfen.
Auf einem Plakat das Rhein-Ruhr-Marathons gab es den Werbespruch: „Duisburg muss man gelaufen sein.“ Ich selbst würde dieser Aussage nicht zustimmen. Die Organisation war ohne Frage sehr gut. Die Strecke jedoch eintönig und langweilig und die Stimmung größtenteils nicht vorhanden. Wäre dies mein erster Marathon gewesen, weiß ich nicht, ob ich jemals erneut für die große Distanz an den Start gegangen wäre. Ich weiß nicht, inwiefern die Corona-Pause oder die ungeplante Verzögerung des Starts dafür verantwortlich waren. Eine Empfehlung kann ich dem Marathon in Duisburg insgesamt aber nicht geben.

Ich weiß nicht wie die Situation in Deutschland gerade generell ist, aber hier in Australien merkt man bei den Läufen die Pandemie noch sehr. Letzten Monat bin ich hier den SMH Halbmarathon zum zweiten Mal gelaufen und trotz großer Teilnehmerzahlen war die Stimmung kein Vergleich zu vor Corona, einfach, weil der Start aus Abstandsgründen extrem in die Länge gezogen wurde. Die Messe durfte man auch nur in Zeitslots betreten. Ich glaube, es wird noch ein bisschen dauern, bis bei Läufen wieder Stimmung aufkommt…
Spannend. In Deutschland sind die Einschränkungen eigentlich allesamt aufgehoben und Duisburg selbst warb auch im Vorfeld mit einer sehr guten Stimmung. Wenn ich aber beispielsweise Münster letztes Jahr dagegenhalte, war das kein Vergleich. An Corona sollte es also eigentlich nicht liegen 🙂
Ich lande nur sehr sporadisch auf deinem Blog- deshalb nun das späte Kommentar.. Hoffe trotzdem, dass du es siehst. Ich wollte mich mal für die viele Inspiration durch deine Texte über die Jahre bedanken und finde es klasse dass du trotz Verletzung wieder läufst. Deine Hybrid-athlet Trainingsweise nehme ich mir definitiv auch zu Herzen.
Ich habe als Kraftsportler gestartet, durch meine Liebe zum Laufen aber dann auch 2019 meinen ersten Marathon gelaufen. Das war tatsächlich der Rhein-Ruhr Marathon. Die Atmosphäre war da aber sehr toll und das sage ich als jemand, der z.B. mit dem Düsseldorf Marathon großgeworden ist.. Scheint wohl wirklich noch durch Corona beeinflusst zu sein..
Mittlerweile bin ich beim Crossfit gelandet- auch schon probiert?
Alles Gute weiterhin!
Ich schrieb meine ersten Artikel zu Crossfit 2011, damals war das in Deutschland ja noch alles andere als verbreitet… 🙂