Rostock Marathon 2022: Kreislaufprobleme in der Achterbahn der Gefühle

Der Rostock Marathon 2022 ist geschafft und stellt damit bereits meinen 34. Marathon dar. Man sollte meinen, dass das Laufen zu einer gewissen Routine wird und man von Überraschungen verschont bliebe. Tatsache ist aber, dass auch der Rostock Marathon 2022 Überraschungen für mich bereithielt und ich erneut neue Eindrücke sammelte. Nachdem ich im letzten Jahr noch das erste Mal bei einem Rennen kotzen musste, hatte ich bei diesem Rennen zum ersten Mal echte Kreislaufprobleme.

Laufe ich den Marathon oder nicht?

Diese Frage stellte ich mir selbst noch wenige Tage vor dem Rennen, obwohl die Teilnahmegebühr längst bezahlt war. Der Grund hierfür war eine Verunsicherung, wie ich sie in den bisherigen Sportlerjahren eigentlich kaum zu spüren bekam. Nachdem mich Anfang des Jahres ein Bandscheibenvorfall zu einer ungeplanten Laufpause zwang, bei der ich anfangs nicht einmal richtig Gehen konnte, bewältige ich gut sechs Monate später erfolgreich den Marathon in Duisburg. Das Rennen war heiß, anstrengend und ich blieb dennoch unter dem selbst gesetzten Zeitlimit von vier Stunden.

Doch diese Erfahrung wirkte nicht beflügelnd auf mich. In den anschließenden Wochen hatte ich bei meinen Nüchternläufen ernsthafte Probleme. Regelmäßig brach die Pace ein, wobei die Wetterbedingungen in der Regel alles andere als optimal waren. Mir machte die Hitze zu schaffen, so dass ich meinen tatsächlichen Leistungsstand weiterhin nicht einschätzen konnte. Dies mündete darin, dass ich nicht nur Respekt vor dem Rostock Marathon 2022 hatte, sondern fast schon eine Art diffuser Angst verspürte.

Meine Gedanken dazu fasste ich im letzten Beitrag zusammen, der gleichzeitig eine Form der Auseinandersetzung mit meinem eigenen Mindset darstellte. Der Start beim Marathon meiner alten Uni-Stadt stand im Anschluss nicht mehr zur Debatte. Der Punkt hinsichtlich meiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit bliebt weiterhin ungeklärt.

Ich packe meinen Koffer und vergesse…

Als Kinder spielten viele sicherlich das Spiel „Ich packe meinen Koffer“, bei dem verschiedene Gegenstände genannt werden und die Liste, welche man sich merken muss, immer länger wird. Für einen Marathon ist das Kofferpacken in der Regel einfacher. Insbesondere die Rennen in Deutschland, die mit kürzeren Reisen verbunden sind, erfordern kaum mehr als das, was man letztendlich fürs Laufen benötigt. Dennoch schaffte ich es erneut etwas zu vergessen.

Während ich bei meinen ersten Reisen oftmals keine Zahnpasta eingepackt hatte, was fast schon zu einem Running Gag wurde, konnte ich dieses Mal zumindest auf dieses Pflegeprodukt verzichten. Ich fuhr am Abend vor dem Rostock Marathon 2022 zu meiner Mutter nach Schwerin, um dort zu übernachten und am nächsten Morgen eine kurze Anreise zum Wettkampf zu haben. Bereits am Abend bemerkte ich allerdings, ein Ladekabel für mein iPhone vergessen zu haben. Da mein Apple-Telefon immer noch über einen Lightning-Anschluss verfügte, blieb mir nichts anderes übrig, als am nächsten Morgen vor meiner Weiterreise nach Rostock ein entsprechendes Ladekabel zu kaufen. Einen für das Rennen relevante Sache sollte ich aber weiterhin vergessen.

Strecke Rostock Marathon 2022 – Quelle: rostocker-marathon-nacht.com

Von Schwerin ging es nach Rostock, wo Start und Startunterlagenausgabe im Vergleich zum Vorjahr etwas verlegt waren, sich aber prinzipiell in derselben Gegend befanden. Ich weiß nicht, wie dies alles vor Corona lief. Im letzten Jahr erfolgte aufgrund entsprechender Bestimmung ein Lauf mit sieben Runden durch eine Art Park in Rostock. Diese Erfahrung sei so toll gewesen, dass man sich in 2022 erneut für eine Verlegung des Starts in den Bereich des Hafens entschlossen habe. So wurde es zumindest im Vorfeld des Rennens von den Veranstaltern kommuniziert.

Nachdem ich meinen Startbeutel abgeholt hatte, verbrachte ich noch einige Stunden im Auto. Während ich meinen PKW im Jahr zu vor in einem Parkhaus abgestellt hatte, wählte ich dieses Jahr einen der empfohlenen Parkplätze, der jedoch keinen Schatten bot. Gleichzeitig hatte man um sich herum Publikumsverkehr, so dass keine echte Möglichkeit bestand, noch einmal die Augen zuzumachen oder etwas zu meditieren. Andererseits war ich Dank der kurzen Anfahrt keinesfalls erschöpft und versuchte vielmehr Essen in den Magen zu bekommen.

Trockenobst statt Schokoriegel

Dies stellte sich durchaus als Problem heraus. Im Schwerin hatte ich noch mein übliches Marathon-Frühstück zu mir genommen. Normalerweise geht es damit dann aber auf die Strecke und ich laufe in das Kaloriendefizit. Durch den späten Start des Rostock Marathons war schon fast der gesamte Tag vergangen, so dass ich entsprechend auch bereits Kalorien verbraucht hatte. Gleichzeitig hielt sich mein Appetit in Grenzen. Ich aß vor Ort einen Milchreis, ein paar Pistazien und ein Sandwich und wollte eigentlich die Nahrungsaufnahme zwei Stunden vor dem Rennen einstellen.

Bis dahin hatte ich aber keinesfalls soviel in den Bauch bekommen, wie mir lieb gewesen wäre. Gut eine Stunde vor dem Lauf bekam ich dann doch noch Appetit und aß etwas Sushi, das ich mir eigentlich für die Zeit nach dem Rennen gekauft hatte. Das war in dieser Form nicht geplant, machte mir aber zunächst keine Probleme.

Ich begann mich am PKW umzuziehen, meine Laufweste auszupacken und stellte in diesem Augenblick fest, dass ich nicht nur das Ladekabel für mein iPhone vergessen hatte, sondern auch meine Rennverpflegung. Keine Stroopwafels, keine Schokoriegel, nichts. Spontan packte ich mir etwas Trockenobst ein, das ich ebenfalls für die Zeit nach dem Rennen gekauft hatte, und begab mich zum Start.

244 Anmeldungen – 189 Finisher

Im Startbereich hatten sich nun auch die anderen Teilnehmer eingefunden. Aus den Lautsprechern auf der großen Bühne wurde von 244 Startern auf der Marathonstrecke gesprochen. Ob diese auch alle tatsächlich ins Rennen gingen, kann ich nicht beantworten. Die Ziellinie sollten am Ende aber nur 189 Männer und Frauen überschreiten. Viel mehr Personen hätte es aber auch nicht sein dürfen.

Die sehr kurze Startbahn wurde durch Gitter rechts und links abgesperrt, ohne dass es Zonen für die Zielzeit gegeben hätte. Alle Pace-Maker standen direkt vor dem Startbogen, so dass die anderen Teilnehmer sich wie so häufig unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistung einordneten. Dass die ersten Meter des Marathons dann ebenfalls durch einen von Gittern abgesperrten Schlauch führten, machte das Schneckenrennen der ersten Meter nicht besser. Es war schlichtweg kaum möglich, zu überholen.

Irgendwo zwischen dem ersten und dem zweiten Kilometer entspannte sich die Situation. Ich nahm ein Tempo auf, das sich gut anfühlte, und holte schnell die 4-Stunden- und 3-45-Pacer ein. Es ging weiter und nach gut fünf Kilometern konnte ich den 3-30-Pacer in erreichbarer Entfernung sehen. Der erstmalige Blick auf die Uhr bestätigte meine Wahrnehmung. Ich war mit einer Pace von etwa fünf Minuten unterwegs, die sich gut anfühlte.

So lief ich die erste Schleife, die noch einmal zum Start zurückführte und die Läufer nach gut sieben Kilometern auf die tatsächliche Strecke schickte. Ich hatte mich im Vorfeld nicht weiter mit dem Verlauf des Rostock Marathon 2022 auseinandergesetzt und stellte somit erst jetzt fest, dass auch dieses Rennen nur wenig mit der eigentlichen Stadt zu haben sollte. Dies muss nicht zwangsläufig schlecht sein. Ich mag Rennen in der Natur und die Strecke war durchaus idyllisch, wenn auch ohne echte Highlights.

In den Tunnel und zurück

Nach etwa der Hälfte der Strecke ging es an dem Startbereich des Halbmarathons vorbei. Die Läuferinnen und Läufer wurden zuvor mittels Fähre vom Marathonstart aus transportiert worden. Direkt dahinter wartete der Warnow-Tunnel, hinter dem eine große Runde in einer parkähnlichen Anlage gelaufen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt verlief alles gut.

Bei Kilometer 16 hatte ich mich noch mit einem Dänen kurz über das Rennen unterhalten. Ich hatte keinerlei Atemprobleme und konnte das zügige Tempo gut halten. Die 3-30-Läufer zogen nun langsam etwas davon, aber dies war für mich völlig in Ordnung. Nachdem es einige Kilometer keine entsprechende Markierung gab, konnte ich bei 24 Kilometern wieder meine Zeit überprüfen. Ich war knapp über zwei Stunden unterwegs und plante die Pace etwas zu reduzieren, um das Rennen entspannt unter 3 h 45 min zu beenden. Es sollte anders kommen.

Als es durch den Warnow Tunnel zurückging bekam ich plötzlich Magenprobleme. Die Beine wurden schwer, mir wurde etwas schwindelig und ich hatte die Befürchtung, dem Mann mit dem Hammer begegnet zu sein. Ich musste vom Laufen ins Gehen wechseln und atmete ein paar Mal tief durch. Gleichzeitig wurde man von den Halbmarathonläufern, die kurz nachdem ich an deren Start vorbeigelaufen war, ebenfalls auf die Strecke gingen, reihenweise überholt.

Ich kann es schwer beschreiben, aber in gewisser Weise empfand ich dies als störend. Gerade die vorderen Plätze liefen eine deutlich höhere Pace, was mich in gewisser Weise in meinem Marathon-Flow störte. Die Magenprobleme, die hinzukamen, machten meine Gefühlslage nicht besser. Gleiches gilt für die relativ spärlichen Versorgungspunkte, an denen es Flüssigkeit gab.

Wann kommt der Besenwagen?

War ich die erste Hälfte des Marathons fast schon euphorisiert, wie unerwartet gut das Rennen verlief, ging es nun steil bergab auf der Achterbahn der Gefühle. Einen kurzen Augenblick überlegte ich, ob ich das Rennen überhaupt beenden konnte, so übel war mir. Dann ging es in Laufbewegung weiter, ohne dass ich wirklich Tempo aufnehmen konnte. Sobald ich über eine gewisse Geschwindigkeit kam, wurden die Magenprobleme schlimmer. Auf den Besenwagen war ich dennoch nicht angewiesen.

Nun begann das große Rechnen. Würde es eine Zeit unter oder über vier Stunden werden? Eigentlich war es mir egal oder zumindest nicht so wichtig, dass sich Druck aufgebaut hätte. Ich wollte nur noch ankommen und ich wollte nicht kotzen. Der Ort hätte zwar nicht passender sein können, nachdem ich mich beim Rostock Marathon 2021 bisher das einzige Mal bei einem Rennen übergeben musste, doch auf eine Wiederholung konnte ich gut verzichten.

Schweiß, Kälte und anhaltende Übelkeit

So vergingen die Kilometer. Die Tatsache, dass man nach dem Warnow Tunnel praktisch dieselbe Strecke wieder zurücklief, war in meinem Zustand förderlich. Es half mir bei der Orientierung, wie weit es noch sein sollte. Langsam wurde es zudem dunkler und der Schweiß der ersten Marathonstunden begann den Körper zunehmend abzukühlen. Eine entsprechende Dusche irgendwo im letzten Viertel der Strecke, die durch die örtliche Feuerwehr aufgebaut worden war, hätte ich daher in keiner Weise benötigt.

Kurz nach Kilometer 36 begann nicht nur das echte Marathonrennen. Der Lauf kehrte nun auch wieder auf einen Abschnitt zurück, den ich bereits von der Einführungsrunde sowie dem Marathon aus dem Jahr zuvor kannte. Weitere Läufer überholten mich, wobei ich nicht einschätzen konnte, wer davon den Halbmarathon und wer die volle Distanz lief.

Etwa drei Kilometer vor dem Ziel nahm ich meine Sonnenbrille ab. Ich habe eine Laufbrille mit Photochromic-Funktion. Das bedeutet, die Abdunkelung passt sich den Lichtverhältnissen automatisch an, was gut funktioniert. Bei zunehmender Dunkelheit gab es dennoch keine weitere Verwendung. Erst jetzt bemerkte ich jedoch, wie stark meine Kreislaufprobleme waren. Alles war verschwommen und mir war weiterhin kotzübel. Immer wieder ging ich einige Schritte, um durchzuatmen, bevor es im Laufschritt weiterging.

Kurz vor dem Ziel von Pace-Makern eingeholt

Auf dem letzten Kilometer war es dann soweit, dass weitere Pace-Maker mich überholten. Ich hörte die Gruppe bereits von hinten herankommen und bemerkte beim Umdrehen, dass einer der Läufer ein Fähnchen am Körper trug. Sollte dies der 4-Stunden-Pacemaker sein?

Nein. Es war der Zugläufer für die 2-Stunden-Zeit des Halbmarathons, der seine Mitstreiter gut gelaunt motivierte, die letzten Meter ins Ziel zu genießen. Mir war dies an diesem Tag nicht mehr möglich. Ich schleppte mich nichts ins Ziel. Von einer gewissen Leichtigkeit war ich aber ebenso entfernt. Erst im Ziel merkte ich, wie kalt mir inzwischen geworden war. Dennoch war ich froh, das Rennen erfolgreich beendet zu haben. Meine Zielzeit sollte 3 h 55:10 min betragen.

Im Anschluss ging es zurück nach Hause. Etwas mehr als drei Stunden Autofahrt und eine Dusche später fühlte ich mich schon deutlich besser. Die Magenprobleme blieben dennoch bis Sonntagabend. Während es mir muskulär insgesamt gut ging und ich mich auch ansonsten keinesfalls ausgelaugt fühlte, begleite mich ein flaues Magengefühl noch den Rest des Wochenendes. Der Rostock Marathon 2022 war alles andere als ein läuferisches Highlight, wird mir aber sicher noch lange im Gedächtnis bleiben.

Medaille Rostock Marathon 2022

in80marathonsumdiewelt

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

zurück nach oben
%d Bloggern gefällt das: