Der erste Ultra-Marathon nach dem Bandscheibenvorfall

Mehr durch Zufall kam ich vor zwei Jahren zu meinem ersten Ultra-Marathon und auch die zweite Teilnahme in meiner Geburtsstadt war alles andere als von langer Hand geplant. Ähnlich wäre die Entscheidung für meinen dritten Ultra-Marathon zusammenzufassen. Nachdem ich mich nach dem Bandscheibenvorfall zu Beginn des Jahres auf die Marathonstrecke zurück gekämpft hatte, war die Auswahl an möglichen Rennen in den Sommermonaten wie jedes Jahr eher überschaubar. Dies führte nach dem Duisburg Marathon nicht nur zu einer erneuten Teilnahme beim Rostock Marathon im Jahr 2022, sondern brachte mich Ende August auch nach Rauschenberg.

Chicago bereits im Fokus

Wie ich bereits in einem früheren Beitrag erwähnte, gewann ich für das Jahr 2022 eine Startberechtigung für den Chicago Marathon. Flug und Hotel sind gebucht, so dass ein Verzicht auf die Teilnahme inzwischen auch finanziell schmerzhaft wäre. Aus diesem Grund war mir bereits nach dem erfolgreichen Comeback auf die Marathonstrecke bewusst, dass ich von Rennen zu Rennen planen würde.

Nachdem es im Ruhrgebiet zu einer kleinen Hitzeschlacht kam, war Rostock ein Gradmesser, wie ich mich unter angenehmeren Temperaturen schlagen würde. Für die erste Hälfte kann ich rückblickend weiterhin ein positives Fazit ziehen. Die zweite Hälfte mitsamt den Kreislaufproblemen bleibt dagegen hoffentlich eine einmalige Erfahrung. Dennoch oder gerade deshalb brachten mich die Eindrücke mehrfach zum Überlegen, ob und wie ich weiter an Rennen vor dem Chicago Marathon teilnehmen würde.

Wie ich bereits eingangs beschrieb, ist der Rennkalender in den Sommermonaten stets spärlicher besät als im Frühjahr oder dem Herbst. Die heißen Temperaturen machen nicht nur das Rennen unnötig schwerer, sondern auch eine entsprechende Vorbereitung für den Marathon zu einer besonderen Herausforderung, wie ich selbst nur all zu gut weiß. Ein Rennen, das diese Lücke nun bereits zum vierten Mal füllt, ist der Burgwald Märchen Marathon in Rauschenberg.

Trailrunning im Burgwald

Ich glaube mich zu erinnern, dass ich vor zwei oder drei Jahren in meine Facebook-Timeline die Teilnahme einer Facebook-Freundes beim kostümierten Lauf gesehen hatte und auf diese Weise vom Märchen Marathon erfuhr. Ich kann mich erinnern, dass mir bereits damals die Alternativstrecke über 52 Kilometer ins Auge stach und ich aufgrund der wenigen Rennen im Sommer den Lauf in Rauschenberg für die Zukunft im Hinterkopf behielt. Während es im letzten Jahr noch eine Überschneidung mit dem Schweriner Seentrail gab, entschloss ich mich in diesem Jahr Ende August statt 61 nur noch 52 Kilometer zu laufen.

Dafür wählte ich statt einer flachen Strecke um den Schweriner See einen hügeligen Traillauf, der Erinnerungen an den Rennsteiglauf versprach. Ganz 779 Höhenmeter sollten auf mich warten, die sich im Rahmen der Anreise bereits mit entsprechenden Anstiegen und Gefällen ankündigten. Dennoch sollten sich für den Ultra-Marathon mehr Teilnehmer anmelden, als für die reguläre Marathondistanz. Ganze 138 Personen würden sich der längsten Strecke stellen wollen, wobei für mich auffällig war, dass der deutlich überwiegende Teil Feldes älter war als ich.

Höhenprofil Ultra-Marathon Rauschenberg – Quelle: bmm-rauschenberg.de

Vielleicht ist dies ein Anzeichen dafür zu werten, dass man im Alter tatsächlich zu immer längeren Strecken tendiert, da das schnelle Laufe nicht mehr möglich, das ausdauernde Rennen dagegen weniger ein Problem sein soll. Mit meinen inzwischen 40 Jahren ist dies eine Erfahrung, die vermutlich noch auf mich warten wird.

Startnummer 1 und direkte Aushändigung der Medaille

Eine andere Erfahrung, die ich zum ersten Mal bei einem Marathonrennen machte, war der besondere Zeitpunkt der Medaillienübergabe. Mein Navi brachte mich ins überschaubare Rauschenberg, in dem Besucher bereits mit einem großen Banner zum Lauf begrüßt wurden. Über 1000 Starter waren in den verschiedenen Disziplinen gemeldet. In der Nähe der Startunterlagenausgabe stelle ich mein Auto ab und die ersten Menschen mit Finisher-Shirts kamen mir bereits entgegen. So etwas hatte ich bereits vereinzelt bei anderen Rennen erlebt, auch wenn man sich normalerweise das Kleidungsstück erst verdient.

Begrüßung am Orteingang von Rauschenberg

Gleiches gilt für die Medaille, die in gewisser Weise ein Grund für das Sammeln der Marathons ist. Anders aber als in allen bisherigen Rennen, gab es die Medaille beim Burgwald Märchen Marathon mitsamt der Startnummer direkt am Tag vor dem Rennen ausgehändigt. Ich stutzte etwas und schaute die Helferin unglaubwürdig an, aber auch auf Nachfrage konnte man mir nicht so richtig erklären, warum man sich für diese sehr ungewöhnliche Maßnahme beim Märchenwald Marathon entschieden hätte.

Streng genommen hätte ich an dieser Stelle nach Hause fahren können, was ich natürlich nicht tat. Selbstverständlich ist es auch die Herausforderung des Laufes, die man annehmen möchte, doch die Medaille bereits vor dem Start zu erhalten, fühlte sich nicht richtig an. Zumindest auspacken wollte ich das schöne Stück erst nach dem Rennen.

Strecke Ultra-Distanz Burgwald Märchen Marathon

Falsches Hotel, Ohrstöpseln und Scooter

Als nächstes sollte es ins Hotel gehen und einen Moment lang ärgerte ich mich über meine eigene Dummheit. Das Navi zeigte mir einen Weg von über eine Stunde an, da ich scheinbar ein Hotel südlich von Kassel gebucht hätte. Nachdem der erste Schreck vergangen war, stellte ich allerdings zu meiner Beruhigung fest, dass Google Maps sich nur irrte und mich offenbar zu einer gleichnamigen Unterkunft am anderen Ende von Hessen schicken wollte.

Korrekt war ein Weg von knapp 15 Minuten gewesen, so dass ich nach relativ kurzer Fahrt an meinem Übernachtungsort angekommen war. Der Besitzer zeigte mir mein Zimmer und wies mich auf ein Exemplar Ohrenstöpsel hin. Da man bei den aktuellen Temperaturen nachts die Fenster offen habe, würde dies dazu führen, dass man den Verkehr auf der Straße in der Nähe des Hotels hören würde. Ich bedankte mich, rechnete aber eigentlich nicht damit, die gelben Stöpsel zu nutzen.

Als ich dann einige Stunden später im Bett lag, sollte ich eines Besseren belehrt werden. Doch nicht die Autos auf der Straße störten mich beim Einschlafen, sondern Scooter-Fans, die offenbar in der Nähe wohnten, und meinten pünktlich ab 22 Uhr die Musik ihrer Lieblingsband so laut zu hören, dass ich es nicht ignorieren konnte. Ich zögerte nicht lange und stopfte mir die Ohren.

Was hast du dir vorgenommen?

Mit der Startnummer 1 fiel ich am Renntag auf und wurde mehrfach darauf angesprochen. Doch ich hatte weder Glück bei der Vergabe, noch war ich Vorjahressieger. Mein Nachname spülte mich schlichtweg nur an die Spitze der Teilnehmerliste und die Frage, was ich mir vorgenommen hätte, beantwortete ich wahrheitsgemäß mit „Durchkommen!“. Genau genommen war mein Ziel eine Zeit zwischen 5 Stunden und 5 Stunden 30 Minuten.

Abgesehen davon, dass es mein erster Ultra-Marathon nach dem Bandscheibenvorfall war, bot die Strecke gemäß Veranstalter 789 Höhenmeter. Ein entspannter Lauf auf flacher Strecke würde es in jedem Fall nicht werden. Dies mag auch ein Grund sein, dass sowohl beim Ultra-Marathon als auch beim Marathon ein Großteil der Anmeldungen letztendlich doch nicht an den Start gingen. Während 82 Läufer den Ultra-Marathon beendeten, kamen 76 Teilnehmer beim Marathon ins Ziel.

Krampf bei Kilometer 16

Entsprechend war die Zahl der Menschen, die sich um 8 Uhr zum Start des Ultra-Marathons versammelt hatten, überschaubar. Gemeinsam mit den anderen Läufern ging es zunächst einen Kilometer durch Rauschenberg und das Feld zog sich auseinander. Dies war auch notwendig, da es nach dem Verlassen des Ortes über einen schmalen Trail in den Wald ging, der zum Teil keine zwei Läufer nebeneinander erlaubte.

Im Gänsemarsch wurden die ersten Anstiege genommen, bevor ausreichend Platz war, um das eigene Tempo zu laufen. Ich selbst versuchte auf mein Gefühl zu hören und überprüfte meine Pace zunächst nicht. Einfach mit Freude laufen.

Diese funktionierte soweit gut. Die Kilometer verflogen und als ich an der 10-Kilometer-Marke ankam, ab der nun die Marathondistanz für mich starten sollte, fühlte ich mich weiterhin frisch und motiviert. Einige Kilometer später erreichte ich die Schleife, welche zweimal im Rahmen des Ultra-Marathons durchlaufen werden sollte. Am Versorgungspunkt gab es zwei Lakritzschnecken und ich machte mich auf die weitere Strecke.

Bereits das gesamte Rennen über wechselten sich An- und Abstiege ab, die bis dahin kein Problem darstellen. Kurz nach dem Versorgungspunkt ging es erneut zunächst leicht bergauf und unmittelbar darauf etwas steiler bergab. Das Gefälle war nicht sonderlich groß, reichte aber offenbar aus, dass ich mit dem linken Fuß ungünstig aufkam. Bei Kilometer 16 verspürte ich plötzlich einen stechenden Schmerz im Beinbizeps und musste das Laufen unterbrechen.

Ich setzte ein-, zweimal an, doch konnte keine drei Meter rennen. Scheiße. Ich tastete meinen Beinbizeps, konnte von außen aber keinen Schmerzpunkt oder Schlimmeres ausmachen. Auch optisch war nichts zu erkennen, so dass ich meine erste Befürchtung, ich hätte einen Muskelfaserriss, gedanklich beiseite wischte. Dennoch war ich mir unsicher, ob ich das Rennen beenden könnte. Sollte dies tatsächlich mein erster DNF werden? Dies wäre fast schon zynisch, nachdem es die Medaille bereits am Vortag zusammen mit der Startnummer gab.

Die letzten 10 Kilometer: Grillen auf offener Flamme

Langsam trabte ich vorwärts und achtete darauf, wie ich meinen linken Fuß aufsetzte. Ich musste spürbar Tempo aus dem Rennen nehmen, aber konnte weiterlaufen. Ehe ich mich versah, war die erste Schleife bereits beendet. Ich war so mit meinem Beinbizeps beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam, wie weit ich bereits gelaufen war. Dies motivierte!

Weiter ging es in die zweite Runde, auf der nun auch einige Teilnehmer des Marathons waren, nachdem diese eine halbe Stunde später auf die Strecke geschickt wurden. Ich überholte einige Läufer, obwohl der Beinbizeps weiter kein wirkliches Tempo zuließ. Hinzu kam nun langsam auch die erste Erschöpfung. Bei knapp 39 Kilometern musste ich meine erste echte Gehpause eingelegen. Die Strecke hatte ihren Tribut gefordert und die Tatsache, dass ich mehr als die reguläre Marathonstrecke laufen sollte, hielt mich davon ab, alles in die Waagschale zu werfen.

Zehn Kilometer vor dem Ziel hatte ich mir meine Medaille verdient. Die Marathondistanz war bewältigt und ich fühlte mich für einen Marathon relativ frisch. Doch das Finale wartete schließlich noch und führte zu gänzlich neuen Bedingungen. Während die bisherige Strecke zum Großteil über schattige Trails durch den Wald führte, wirkte der letzte Teil des Ultra-Marathons deutlich urbaner. Dies führte auch dazu, dass der Sonne auf großen Teilen der Strecke nichts mehr entgegengebracht und man nun praktisch gegrillt wurde. Wie man sich denken kann, blieb dies nicht folgenlos für die Pace, die nun gänzlich einbrach.

Ein schöner Ultra-Marathon und eine noch schönere Medaille

Ich teilte mir meine Kräfte ein und ging den Rest des Rennens nicht zu verbissen an. Ich hatte den Ultra-Marathon bereits bei meiner Anmeldung als Art Trainingslauf verstanden. Spätestens nach dem Krampf im Beinbizeps war klar, dass der erfolgreiche Abschluss unabhängig von der Zielzeit die oberste Priorität hätte.

Am Ende sollten es eine Zielzeit von 5 h 26:29 min werden, die damit im selbst gesteckten Rahmen blieben und Platz 34 in der Gesamtwertung bedeutete. Überhaupt war es kein schnelles Rennen. Mit einer Zeit von unter 4 Stunden wäre man auf der Marathonstrecke in die Top 10 gelaufen, was ich mir an diesem Tag in jedem Fall zugetraut hätte. Und auch auf der Ultra-Marathon-Strecke blieben nur 15 Teilnehmer unter 5 Stunden.

Vielleicht wird sich dies in den nächsten Jahren ändern. Der Märchenwald Marathon in Rauschenberg erhält eine klare Empfehlung von meiner Seite. Wer Läufe in der Natur mag und beispielsweise eine Alternative zum Rennsteiglauf sucht, wird in Hessen fündig. Die Verpflegungsstationen waren sehr gut ausgestattet und die Streckenführung jederzeit deutlich erkennbar. Darüber hinaus gab es auf jeden Kilometer ein entsprechendes Schild. Dies alles sind Kleinigkeiten, die aber eine große Wirkung darauf haben, wie man so einen Lauf wahrnimmt.

Die Kirsche auf der Sahnehaube war die Medaille. Nummer 35 ist zweifelsfrei eine der schönsten Exemplare, die meine Wand schmücken. Nachdem ich nun nicht nur zweimal den Marathon finishte, sondern auch die Ultra-Marathon-Distanz nach dem Bandscheibenfall bewältigen konnte, geht es in zwei Wochen das erste Mal in diesem Jahr aufs internationale Parkett. Mit Vilnius steht mein erster Marathon in Osteuropa an, bevor es im Oktober schließlich nach Chicago gehen wird.

Medaille Burgwald Märchen Marathon 2022

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