Der erste Marathon nach dem Bandscheibenvorfall

Nie wieder Marathon? Dieser Gedanke ist nach einem Bandscheibenvorfall vermutlich nur allzu menschlich und schwirrte auch in meinem Kopf herum. Ich werde den einen Kilometer, den ich vier Wochen nach dem Bandscheibenvorfall mehr schlecht als recht gelaufen war, vermutlich nie vergessen. Verletzungen machen Einen demütig. Sie zeigen uns auf Grenzen auf, aber sie sollten uns nicht zum Aufgeben bringen. Nach einem Bandscheibenvorfall mag nicht mehr alles wie zuvor sein. Aber er ist weder ein sportliches Todesurteil noch ein Grund, nie wieder Marathon zu laufen.

Ist ein Bandscheibenvorfall ein Turning Point?

Turning Points sind in der Soziologie Phänomene, deren Bedeutung sich am Namen erkennen lässt. Sie beschreiben Ereignisse im Leben eines Menschen, die nicht unbedingt plötzlich, aber doch mit großer Wirkkraft geschehen. Danach ist nichts mehr wie zuvor, so dass Wendepunkte eine Biographie in andere Bahnen lenken. In der Soziologie werden damit Geburt und Tod im unmittelbaren familiären Umfeld, Eheschließungen oder auch das Beginn eines Studiums beschrieben. Es müssen also nicht zwangsläufig negative Ereignisse sein.

Positiv und negativ – diese beiden Pole sind wiederum stets eine Frage der eigenen Perspektive. Man mag einem Bandscheibenvorfall auf den ersten Blick nicht wirklich etwas Positives abgewinnen, aber dies trifft in erster Linie dann zu, wenn man selbst davon betroffen ist. Die MRT-Praxis, welche ich Ende Januar aufsuchte, stände vermutlich vor gewissen Schwierigkeiten, wenn niemand mehr Probleme mit seinen Bandscheiben hätte. Ich selbst wiederum bin keinesfalls begeistert über die Verletzung. Ich war mir allerdings schon bei Eröffnung der Diagnose bewusst, dass es mehr als nur schwarz und weiß gibt.

Die Frage war für mich nicht, OB ich jemals wieder einen Marathon laufen würde, sondern WANN mir dies wieder möglich sein sollte. Hatte ich acht Wochen nach dem Bandscheibenvorfall noch vorsichtig mit Herbst geplant, verlief der Genesungsprozess im Anschluss besser als erwartet. In einer Woche soll es nun das erste Mal in 2022 auf die Marathonstrecke gehen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich völlig unbekümmert ins Training gehen würde. Aber ebenso lasse ich mir nicht das Ende der Reise in 80 Marathons um die Welt diktieren.

Wie das Lauftraining die letzten Wochen verlief

Bereits im letzten Beitrag hatte ich berichtet, die magischen 30 Kilometer erstmals nach dem Bandscheibenvorfall wieder bewältigt zu haben. Ebenso berichtete ich, dass ich dem Marathonkalender von Planet-Marathon bereits einige Besuch abgestattet hatte und Termine in Deutschland in Betracht zog. Dies setzte allerdings voraus, dass ich deutlich mehr als 30 Kilometer am Stück schaffen würde.

Bereits eine Woche nach den 31 Kilometern nahm ich einen größeren Sprung vor. Der 34-Kilometer-Lauf war langsam und von Gehphasen geprägt, aber am Ende war die Distanz in den Beinen. Die Woche darauf wurden 35 Kilometer gelaufen und zum Abschluss des Monats Mai rannte ich die 36 Kilometer nüchtern in einer Zeit von 3 h 29 min. Dies war im Vergleich zu meinen Zeiten vor dem Bandscheibenvorfall keinesfalls schnell, aber im akzeptablen Rahmen.

Die zweite wöchentliche Laufeinheit waren im Mai Läufe mit Nasenatmung. Schon beim ersten Durchgang zu Beginn des Monats gelang mir eine Pace von unter fünf Minuten auf meiner 12-Kilometer-Strecke. Die Zeit verbesserte sich Woche für Woche. Mit einer 4:45er-Pace bin ich ebenfalls noch nicht auf meinem alten Niveau, aber insgesamt auf einem guten Weg.

Neben der ungeplanten Laufpause mag auch der Temperaturanstieg der letzten Tage eine Rolle gespielt haben. Alles über 20 Grad macht längere Läufe für mich zunehmend anstrengender. Der letzte schnelle Halbmarathon eine Woche vor dem erste Marathon seit dem Bandscheibenvorfall war entsprechend heiß und hart, aber nicht sonderlich schnell. Die Vorzeichen für die Rückkehr auf die große Strecke könnten besser sein.

Marathon im Ruhrpott

Nachdem ich vor drei Jahren beim Vivawest-Marathon meinen erste Lauf im Ruhrpott hatte, soll es in einer Wochen erneut dahin zurückgehen. Der Rhein-Ruhr-Marathon blickt auf eine inzwischen über 30-jährige Geschichte zurück. Die Stadt Duisburg hatte damals einen Etat von 8000 D-Mark zu vergeben, der von einem ortsansässigen Sportverein entsprechend genutzt wurde. Kaum 400 Läufer fanden sich damals auf der Strecke ein, wobei man dazu betonen muss, dass Marathonlaufen in den 1980ern keinesfalls so weit verbreitet war, wie es heute der Fall ist.

Der Marathon in Duisburg soll der erste Wettkampf seit dem Bandscheibenvorfall werden. – Bild: Rhein-Ruhr-Marathon.de

Die stärksten Teilnehmerzahlen liegen dennoch einige Jahre zurück. Konnte man 1987 mit über 3000 Startern den bis heute bestehenden Rekord verbuchen, gingen die Teilnehmerzahlen seit 2010 kontinuierlich zurück. Bei der letzten Durchführung im Jahr 2019 waren es noch knapp über 500 Starter, die die Ziellinie überschritten. Wie es nach der nun zweijährigen Corona-Pause sein wird, wird sich bald zeigen.

Das erste Mal Marathon in über vier Stunden?

Bleibt die Frage aller Fragen: Wird es das erste Mal sein, dass ich für einen Marathon mehr als vier Stunden benötige? Die Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Ich weiß es tatsächlich nicht. Der letzte Nüchternlauf über 36 Kilometer war keinesfalls in einer berauschenden Zeit, aber schneller als noch vor dem Bremerhaven Marathon vor zwei Jahren. Damals kämpfte ich mich nach Fußproblemen zurück auf die Marathonstrecke und schaffte trotz hohen Temperaturen das Rennen in unter vier Stunden zu beenden.

Ob sich diese Geschichte in Duisburg wiederholen wird, kann ich nicht einschätzen. Im Augenblick wirkt selbst das Laufen der 42,195 Kilometer surreal und hätte ich die Strecke nicht bereits dutzende Mal erfolgreich bewältigt, weiß ich nicht, wie zuversichtlich ich wäre. Der Marathon im Rhein-Ruhr-Gebiet wird in jedem Fall anders. Ob er auch mein langsamsten Rennen werden soll, wird sich schon bald zeigen.

Titelbild: Eventbaxx

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2 Kommentar zu “Der erste Marathon nach dem Bandscheibenvorfall

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