Nachdem das erste Gefühl nach dem Reykjavik Marathon darin bestand, die Laufschuhe für den Rest des Jahres an den Nagel zu hängen, wurde das in Island abgekühlte Feuer wieder entfacht. Die Phase der durchwachsenen Trainingseinheiten scheint durchbrochen, der letzte lange Nüchternlauf über 36 Kilometer verlief am letzten Wochenende fast schon spielend einfach und ich freue mich inzwischen tatsächlich auf den anstehenden Berlin Marathon. Körperlich und geistig fühle ich mich deutlich besser, was ich vermutlich dem verringerten Alltagsstress und vor allem dem bewussteren Nachholen von Schlaf über mehrere Tage verteilt zu verdanken habe. Wie dem auch sei: Ich blicke mit Vorfreude auf den anstehenden Lauf.
Wer im Lotto gewinnt, verzichtet nicht auf seinen Gewinn
Vor gut einem Jahr startete mit dem New York Marathon die Marathon-Safari, wie ich es damals bezeichnet hatte. New York war mein erster Lauf der Big Six, dem Sammelsurium an internationalen Marathons, das sich 2006 zusammentat und im Jahr 2012 den Tokyo Marathon ergänzte. Die reinen Finisher-Zahlen der Veranstaltung sind dabei nicht das einzige Kriterium dieses Zusammenschlusses. Andernfalls wäre der Paris Marathon mit über 42.000 Läufern, die die volle Distanz bewältigen, ebenfalls Teil dieses elitären Kreises, der auch für Lauf-Laien eine große Anziehungskraft ausübt.
Offiziell soll der Zusammenschluss des elitären Kreises mit der Motivation erfolgt sein, das öffentliche Interesse an den Veranstaltungen zu fördern. Ob dies gelang und beispielsweise vor dem Fernseher tatsächlich mehr Menschen dadurch die Rennen verfolgen, vermag ich nicht zu sagen. In jedem Fall erleben die großen sechs Marathons einen regelmäßigen Teilnehmeransturm, so dass der Zutritt nicht ohne Weiteres gewährt wird.
Mit meiner bisherigen Bestzeit vom Graz Marathon 2018 hätte ich nicht einmal die Qualifikationszeit für Läufer ab 60 Jahren erfüllt. Bis zum 44. Lebensjahr würde mein Zeitfenster sogar nur 2 h 45 min betragen, um mich für den Berlin Marathon zu qualifizieren. Für mich ohne Frage nicht erreichbar, so dass mir nur einer der drei alternativen Wege blieb: Reiseveranstalter, Charity-Lauf oder Losverfahren.
Den ersten Weg nutzte ich vor gut einem Jahr für den New York Marathon ohne mir der Hürden zur Teilnahme überhaupt bewusst zu sein. Damals war es in erster Linie eine Frage der Bequemlichkeit sowie der Unsicherheit, wie eine Reise in die USA organisiert werden sollte. Das mag der ein oder andere belächeln und auch für mich ist dies inzwischen keine Herausforderung mehr. Wenn man jedoch – wie ich – zuvor praktisch noch nie für mehrere Tage in ein anderes Land gereist war, stellt man sich das ein oder andere vielleicht auch einfach komplizierter vor, als es letztendlich tatsächlich ist.

Für Berlin entschloss ich mich jedoch, mein Losglück auf die Probe zu stellen. Konkrete Zahlen, wie viele Plätze tatsächlich über diesen Weg vergeben werden, bzw. wie die Bewerberzahlen wären, sind nur schwer zu finden. Für das Jahr 2014 war zumindest von 32.000 Plätzen für gut 75.000 Bewerber auf einer nicht-offiziellen Seite zu lesen. Was dort noch pessimistisch als relativ geringe Chance beschrieben wurde, ist im Vergleich zu den anderen Veranstaltungen der Big Six alles andere als eine schlechte Quote, so dass ich bereits im Vorfeld regelmäßig Aussagen las und hörte, dass die Chance auf einen Platz beim Berlin Marathon gar nicht schlecht seien.
Also bewarb ich mich im letzten Jahr auf einen der begehrten Startplätze und erfuhr bereits Ende November von meinem Glück. Mein Name wurde für den Berlin Marathon 2019 gezogen und ich wusste, dass ich fast ein Jahr später meinen zweiten Major Marathon laufen dürfte. So gesehen bin ich also bereits ein Gewinner und auch wenn die Chancen, im Zweifelsfall in den kommenden Jahren über das Los erneut einen Platz bekommen zu können, nicht schlecht gestanden hätten: Auf einen Gewinn verzichtet man nicht, was ich mir genau genommen auch in Reykjavik bereits sagte.
Kein neuer Weltrekord von Kipchoge
Wer dagegen auf einen Start beim Marathon in diesem Jahr verzichtet, ist der aktuelle Weltrekordhalter Eliud Kipchoge. Nachdem dieser 2018 die Bestzeit auf 2 h 01:39 min verbesserte, wird seine Zeit von Läufern und Veranstaltern wie dem Dubai Marathon gejagt. Er selbst hat jedoch bereits andere Ziele im Auge. Bereits 2017 gelang dem Keniaer bei einem nicht-offiziellen Rennen auf dem Formel-1-Kurs in Monza eine Zeit von 2 h 00:25 min. Damit schrammte er bei der Werbeveranstaltung des Laufschuhherstellers Nike nur knapp an der magischen Zweistundengrenze vorbei und hätte diese Zeit wohl selbst dann nicht unterboten, wenn auf die letzten 95 Meter verzichtet worden wäre. Treue Leser dieses Blocks können sich an die Werbeanzeige erinnern, die von Nike geschaltet wurde und mir Anlass dazu gab, die Geschichte der 42,195 km langen Strecke kurz nachzuzählen.

In diesem Jahr will Kipchoge bei einer Veranstaltung in London erneut einen Rekordversuch starten, nachdem er den London Marathon 2019 bereits in 2 h 02:37 min für sich entscheiden konnte. Erneut wird das Rennen jedoch einen inoffiziellen Charakter haben. Sollte Kipchoge die Marathon-Schallmauer durchbrechen, bliebe der Berliner Weltrekord weiterhin bestehen, da bei regulären Rennen kein Austausch der Tempomacher erlaubt ist, wie es bereits vor zwei Jahren bereits in Monza in der Fall war.
Ob allerdings jemand anderes in Berlin an den Start gehen wird, um die Nachfolge als Weltrekordhalter anzutreten, wird die Welt in wenigen Tagen wissen. Ich für meinen Teil werde es nicht sein und das Feld der über die Laufzeit qualifizierten Läufer vor mir hertreiben, wobei die entsprechenden Athleten meinen Atem vermutlich maximal im Startblock spüren dürften. Berlin, ich komme!
Na dann Viel Spaß, Berlin ist ne schnelle Strecke da sollte eine neue PB drin sein wenn Du vernünftig trainiert hast.