Mit festen Waden zum Neu Delhi Marathon

Meine Waden sind fest. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich nicht nur wie so häufig in den letzten Monaten am Flughafen Hannover und warte auf meinen Flug, sondern versuche wie auch auf den letzten Reisen in meinen Körper zu hören. Bin ich fit? Fühle ich mich für den anstehenden Marathon bereit? Sollte ich die letzten Stunden vor dem Lauf noch etwas beachten? Während die Aufregung, die die ersten Reisen noch ein treuer Begleiter gewesen war, inzwischen deutlich geringer ist, gibt mein Körper mir an diesem Tag deutlichere Signale: die Waden sind fest. Seit gut einer Woche inzwischen.

Das Schuhwerk regelmäßig wechseln… auch im Alltag

Alles begann vor gut 10 Tagen, als ich meine S-Bahn auf dem Nachhauseweg verpasste und anstatt zu warten, eine alternative Verbindung nahm, die mich nicht ganz bis zum Zielbahnhof brachte. Ich ging die letzte Station zu Fuß, was immer noch etwas mehr als fünf Kilometern entsprach, aber im zügigen Tempo unterm Strich genauso schnell zum Ziel führte, wie das Warten auf die Folgeverbindung. Der Vorteil erschien mir klar: Ich konnte meinen täglichen 10.000 Schritten ganz nebenbei ein paar hinzufügen, ohne dafür extra noch einmal aus dem Haus zu müssen.

Zu Hause angekommen, waren die Beine müde, aber der für die Woche geplante 10-Kilometer-Lauf stand noch auf dem Plan und wurde trotz vorangeschrittener Uhrzeit umgesetzt. Bereits die ersten Kilometer waren schwer und am Ende stand die schlechteste Zeit seit gut einem Jahr auf dem Display. Ich hatte das Gefühl, wie auf der Stelle zu treten. Während die Sauerstoffzufuhr nicht einmal annähernd an diesem Tag ein Problem darstellte und die eigentliche Zielrichtung der Einheit war, wollten die Beine sich nicht vom Fleck bewegen.

Dabei war ich wohl selbst schuld: Während ich bei meinen Laufschuhen penibel darauf achte, welchen Eindruck das Sohlenprofil macht, und diese deutlich häufiger wechsle, als es generell empfohlen wird und vermutlich notwendig wäre, gehe ich im Alltag weniger akribisch mit meinem Schuhwerk um. Bekleidung kaufen, bedeutet Stress für mich, wenn es sich nicht um Sportkleidung handelt. Das ist irgendwie bizarr, aber wenn es um Alltagskleidung geht, dann kann ich Menschen wie Steve Jobs in gewisser Weise verstehen, der einfach jeden Tag dasselbe trug, um sich über solche Dinge keine Gedanken machen zu müssen.

Überlege ich beim Training zweimal, welcher Schuh für die jeweilige Einheit am geeignetsten wäre und probiere immer mal wieder alternative Settings aus, so kaufe ich für den Alltag die erstbesten Schuhe und erinnere mich an diese erst wieder, wenn die Sohle fast schon durchgelaufen ist… oder ich nach längeren Wegen in den abgelaufenen Schuhen auf die Idee komme, die Sohlen mal wieder anzuschauen. Und so machte mir der Blick vor einigen Tagen deutlich, dass meine Alltagsschuhe alles andere als fußschonend auf mich wirken.

In Kombination mit zu wenig bewusster Massage des Wadenbereichs und der pflichtbewusst umgesetzten Trainingseinheit war dies dann vermutlich zu viel. Die Waden wurden fest. So sehr, dass es sich auch im Alltag bemerkbar machte. Während Gehen und Bewegen kein Problem darstellten, spürte ich die Muskulatur zeitweise sogar im Sitzen, ohne dass diese hätte arbeiten müssen. Wenige Tage vor dem Neu Delhi Marathon 2019, der nicht mal eben so um die Ecke stattfindet, kein schönes Gefühl. Weder körperlich noch mental.

Also versuchte ich die letzten Tage quasi alles, was mir einfiel. Regelmäßige Massage mit Hilfe meiner Massagepistole, Entspannungsbad und sogar der spontane Kauf von Rosskastanien-Tabletten standen auf meinem Plan, wobei ich davon ausgehe, dass es meinen Venen generell gut geht und ich somit weniger Zielgruppe des genannten pflanzlichen Mittels bin. Eine Woche vor dem Neu Delhi Marathon lief ich noch, wie geplant, einen 20-Kilometer-Lauf im Marathontempo, was gut gelang und dem Kopf gut tat. Den Waden dagegen weniger, so dass ich auch die letzten Tage mit verschiedensten Maßnahmen verbachte.

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Verglichen mit dem schlechtesten Tag war eine Verbesserung deutlich spürbar, wenn ich aber behaupten müsste, dass meine Waden frisch wären, würde ich lügen. Milderung oder zumindest Ablenkung brachte jedoch ein altes Hausmittel, das mir schon vor 17 Jahre gute Dienste leistete. In einem Schrank zu Hause fand sich noch eine alte Tube Finalgon. Meinen ersten Kontakt hatte ich mit der Wärmesalbe während meiner Bundeswehrzeit 2002, als die einseitige Belastung, die damals in der Grundausbildung wohl noch intensiver war, als sie es heutzutage ist, zu Schmerzen im Knie führte, die sich wiederum mit Finalgon gut behandeln ließen.

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Das tägliche Einschmieren wird mir vermutlich auch deshalb für immer in Erinnerung bleiben, da ich an einem Tag die Hände im Anschluss nicht ausreichend reinigte und mir etwas aus dem Auge wischen wollte. Dies war, wie jeder Finalgon-Anwender sich denken kann, keine gute Idee und nachdem das Brennen und Tränen im Auge auch nach über 30 Minuten nicht weniger wurde, obwohl ich da Gesicht fast dauerhaft unter kaltem laufenden Wasser hielt, zweifelte ich zwischendurch daran, ohne dauerhafte Schäden aus der Geschichte zu gelangen.

Die Sorge erwies sich zum Glück als unbegründet, aber der Respekt vor der Wärmesalbe festigte sich spätestens seit diesem Tag auf einem hohen Level. Und so ging ich auch mit der Anwendung der gefundenen Tube nicht leichtfertig um. Die Salbe war zwar bereits vor einigen Jahren abgelaufen, aber vermutlich verhält es sich mit Finalgon wie mit Honig: Das Zeug wird nicht schlecht. Die Finalgon-Wirkung war jedenfalls genauso spürbar, wie ich sie in Erinnerung hatte, vielleicht etwas milder, und so mögen meine Waden im Augenblick dieser Zeilen zwar immer noch fest, aber auch gleichzeitig wohlig warm sein.

Eine Anreise mit Tücken

Vom Flughafen Hannover ging es dann mit etwa einer halben Stunde Verspätung in Richtung Paris, wo ich nur einen kurzen Aufenthalt hatte. Ich hatte im Vorfeld immer wieder davon gelesen, dass der Flughafen ein Ungeheuer sein soll. Ich habe weiterhin keine Ahnung, inwiefern dies zutrifft. Der Bus, der die Passagiere vom Ankunftsgate abholte, fuhr direkt zum Abreisegate, von wo aus man unmittelbar zu den Terminals gelangte, ohne sich durch Einkaufspassagen zu quälen. Dahingehend boten sich in Amsterdam und London in der Vergangenheit ganz andere Eindrücke.

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Der Flughafen in Neu Delhi präsentierte sich fast schon ein wenig klischeebehaftet.

Nach einigen Stunden Flug landete ich schließlich kurz vor Mitternacht am Flughafen in Neu Delhi und weiß für die Zukunft, dass man mit einem Klebevisum, dass man in der Botschaft im Vorfeld erhalten kann, nur wenigen Minuten hätte warten müssen, mit einem e-Visa dagegen noch einmal fast 1,5 Stunden am Flughafen verbrachte. Doch damit war das Warten noch nicht genug. Nachdem mein Koffer diesmal schon lange ausgeladen war, trat ich aus dem Flughafen, um mich dem vieldiskutierten Smog zu stellen. Die Luft war zugegeben nicht unbedingt frisch, aber auch nicht verpestet und litt vermutlich in erster Linie unter der Vielzahl an Taxis, die sich vor dem Flughafen aneinanderreihten und teilweise mit laufenden Motor ohne Fahrer herumstanden.

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Wäre es ja ein Leichtes zu seinem Hotel zu kommen, möchte man meinen. Aber dessen wurde ich eines Besseren belehrt. Ich buchte, wie es mir im Vorfeld empfohlen wurde, am PrePaid-Stand meine Fahrt und… wurde nicht mitgenommen. Es dauerte mehr als 20 Minuten, bis sich ein Fahrer erbarmte, mich zu fahren. Offenbar lag mein Hotel bei keinem der Taxifahrer auf der jeweiligen Route. Zumindest wurde mir dies mehr oder weniger zu verstehen gegeben.

Als es dann doch endlich in die indische Nacht losging, bekam ich gleich eine Kostprobe des vielbeschriebenen Fahrstils. Im Linksverkehr der indischen Hauptstadt nutzt niemand die Blinker, Fahrstreifen dienen eher der Orientierung, laut hupend irritiert man auch als Geisterfahrer offenbar niemanden und bei der Vorfahrt gilt vielleicht nicht das Recht des Stärkeren, aber in jedem Fall die Frage, wem sein Auto noch etwas wert ist. In Deutschland hätte vermutlich keines der Taxis, die ich gesehen hatte, ohne Weiteres den TÜV erhalten.

Als wir uns nach gut einer halben Stunde Fahrt endlich dem Hotel näherten, wurde es fast schon zu einer Odyssee. Der Taxifahrer kannte ganz offensichtlich die Adresse nicht, war aber auch nicht in der Lage die Googlemaps-Wegbeschreibung zu verstehen, die ich ihm auf meinem Handy zeigte. Selbst Anweisungen, wo rechts oder links gefahren werden solle, wurden nur unzureichend verstanden, so dass wir noch gut eine viertel Stunde durch eine menschenleeres Viertel geisterten und quasi um das Hotel herumfuhren. Dazu muss man nochmal betonen, dass die Fahrt schon bezahlt war, hier wurden also keine Kilometer geschunden.

Irgendwann war meine Geduld zu Ende und ich stieg einfach aus, um die letzten Meter zu Fuß zu gehen. Ich orientierte mich an meinem Navi und musste zumindest eingestehen, dass das Hotel nicht einfach zu finden war. Keine Leuchtreklame oder andere Dinge, die auf das Hotel aufmerksam machen würden. Stattdessen verdeckten sogar nah am Gebäude wachsende Pflanzen den Großteil des Schildes. Darunter konnte man durch große, verdreckte Glasscheiben in einen Raum blicken, der sich als Lobby herausstellte und in dem ein Angestellter wartete.

Dieser erste Eindruck wurde im Zimmer leider nicht besser. Die Bettwäsche war zum Teil fleckig, der Tresor funktionierte nicht, es gab keine Handtücher und kein Klopapier, wobei man zumindest Letzteres vermutlich noch an der Rezeption erhalten hätte, der Fön funktionierte nicht, der Wasserstrahl der Dusche war kaum als solcher zu bezeichnen und die Fenster schlossen nur mit großen Lücken, so dass es von der Lautstärke her keinen Unterschied machte, ob diese offen oder zu waren. Obwohl die Straßen menschenleer waren, als ich die letzten Meter zum Hotel ging, schlug irgendwo in Nacht jemand regelmäßig mit einem Metallrohr gegen eine Brüstung. Zumindest war dieser Ton zu hören. Immer und immer wieder…

Als es dann bereits 3 Uhr in der Nacht war, schlief ich mehr schlecht als recht und wurde in den folgenden Stunden regelmäßig vom inzwischen draußen aufkommenden Verkehr aus dem Schlaf gerissen. Ich bin wirklich nicht verwöhnt und vermutlich hätte ich, wenn der Tresor funktioniert hätte, zumindest darüber nachgedacht, auch die anderen beiden Nächte in dem Hotel zu bleiben, doch so zögerte ich nur wenige Augenblicke und buchte mich in ein alternatives Hotel ein.

Zu Fuß ging es am nächsten Morgen zu einem Radisson Blue, das auch eher den allgemeinen Vorstellungen eines Hotels entsprach. Wie gesagt, kommt es mir nicht auf Luxus an, aber wenn man fast einen Tag zu einem Wettkampf anreist, mitten in der Nacht ankommt und am übernächsten Morgen bereits um 4 Uhr an der Startlinie stehen muss, dann ist Ruhe und ein erholsamer Schlaf mir auch ein paar Euro mehr wert.

Geduldsprobe auf der Messe zum Neu Delhi Marathon 2019

Nachdem ich mein Zimmer bezogen und eine Dusche genommen hatte, fuhr ich mittels Taxi zum Stadion, wo die Startunterlagen abzuholen wären. Ich schrieb bereits, dass im letzten Jahr knapp 15.000 Menschen den Lauf beendeten, wobei der Großteil davon an den kürzeren Strecken teilnehmen dürfte. Dennoch eine große Zahl an Teilnehmern, vor deren Hintergrund die Messe zum Neu Delhi Marathon 2019 überraschend klein ausfiel. Genau genommen war es sogar die kleinste Messe, die ich bisher auf meinen Marathonwettkämpfen gesehen hatte. Selbst die Veranstaltungen um den Graz oder den Pisa Marathon fielen größer aus.

Entsprechend chaotisch war es zeitweilig bei der Nummernausgabe. Während eigentlich mehr als genug Helfer vor Ort zu sein schienen, dauerte die Herausgabe dennoch gefühlte Ewigkeiten, so dass es vor mir sogar kleinere Streitgespräche zwischen Teilnehmern gab, bei denen die Nerven offenbar etwas dünner geworden waren, nachdem die Schlange zur Nummernausgabe keine erkennbaren Fortschritte machte.

Ich selbst musste meine Startnummer noch bezahlen, da dies über das Internet nicht möglich war. Vor Ort war die Bezahlung aber wiederum nur an einem Schalter möglich, der eigentlich für Massenabholungen von fünf Nummern und mehr vorgesehen war, so dass ich zweimal das Warteprozedere durchlief und insgesamt über ein Stunde mit Anstehen verbrachte.

In weniger als 12 Stunden ist es dann auch bereits so weit. Der Startschuss zum Neu Delhi Marathon 2019 wird fallen und ich bin gespannt, wie meine Waden reagieren werden. Aktuell fühle ich mich deutlich besser als noch zu Beginn der Woche und bilde mir zumindest ein, dass die verhältnismäßig wenige Bewegung der letzten 48 Stunden förderlich war. Morgen weiß ich mehr.

Frank

5 Kommentar zu “Mit festen Waden zum Neu Delhi Marathon

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