Skopje, äh, Bremen Marathon 2023: Kannst du dir nicht ausdenken!

Die Aussage „Jeder Marathon ist anders.“ begleitet diesen Blog in gewisser Weise seit seinen Anfängen. Auch wenn der Satz auf manche floskelhaft wirken mag, fasst er die Eindrücke der letzten Jahre aber doch letztlich am besten zusammen. Selbst nach inzwischen über drei Dutzend Marathonwettkämpfen gibt es immer wieder neue Erfahrungen und Situationen, die ich zuvor bislang nicht kennengelernt hatte. Meine Erlebnisse zum Bremen Marathon 2023 hätten aber selbst meine Fantasie überstiegen.

Eigentlich sollte es nach Skopje gehen…

Der Name dieses Blog impliziert in gewisser Weise, dass die Marathons nicht nur in heimischen Gefilden gelaufen werden. Als Vater von inzwischen zwei Kindern mit Verpflichtungen fernab dieser Zeilen ist es (phasenweise) nicht immer einfach, dies zu realisieren, doch nachdem der Jüngste inzwischen aus dem Allergrößten raus ist, wollte ich eigentlich mit Marathon 40 meinen nächsten Länderpunkt sammeln.

Während ein Start im September aufgrund von Terminproblemen nicht möglich war, sollte es schließlich am ersten Oktoberwochenende das Rennen in Skopje werden. Die nordmazedonische Hauptstadt liegt etwas nördlich von Thessaloniki, wo ich vor zwei Jahren bereits gelaufen war, und wäre aus Deutschland gut und günstig erreichbar gewesen.

Die Antwort auf die Frage, warum das Vorhaben dennoch scheiterte, ist mit einem Satz zu beantworten: „Thank you for travelling with Deutsche Ba.. äh Lufthansa.“ – Ich versuche auf meinen internationalen Reisen in der Regel namhafte Fluganbieter zu nutzen, weil mein Konsumentengehirn mir suggeriert, dass diese eine gewisse Zuverlässigkeit bieten und mich wie geplant an meinen Zielort bringen.

Wer häufiger fliegt, dem wird bekannt sein, dass dies nicht immer der Fall ist. Gefühlt würde ich inzwischen die Deutsche Bahn für pünktlicher und verlässlicher halten, als Flugverbindungen quer über den Planeten. Bisher ging jedoch in der Regel alles gut und insbesondere auf Rückreisen machten mir Umbuchungen oder Verspätungen nur wenig aus. Dieses Mal sollte es jedoch anders kommen.

Strecke Bremen Marathon 2023 – Bild: SWB-Marathon.com

Absage des Flugs um 3 Uhr nachts

Der ursprüngliche Abflug nach Skopje war am Samstag für etwa 08:30 Uhr geplant. Als mein Wecker mich um 05:45 Uhr weckte und ich wie jeden Morgen als Erstes meine E-Mails checkte, benötigte ich einen Augenblick, um zu verstehen, was mir da gerade auf dem Bildschirm angezeigt wurde. Mein Flug wurde gestrichen. Kurz nach 3 Uhr nachts vermeldete die Lufthansa das Ganze und bot mir eine Alternativroute an, mit der ich drei Stunden nach dem Ende der Nummernausgabe überhaupt erst gelandet wäre. Skopje war somit gelaufen.

Ich muss gestehen, eine gewisse Unsicherheit die Tage vor der Reise verspürt zu haben, da in Nordmazedonien wochenlang über 30 Grad herrschten, doch mit knapp 26 Grad war für den Renntag der kühlste Tag seit Langem vorhergesagt. In Kombination mit knapp zweistelligen Temperaturen in der Nacht wäre das Rennen in einem tatsächlich ertragbaren Rahmen gewesen. Dass es nun auf diese Weise doch zu keiner Teilnahme kam, war unerwartet, wie man sich vorstellen kann.

Ich legte mich noch einmal hin und schlief so lange aus, wie es kleine Kinder am Wochenende ermöglichen. Da ich jetzt ohnehin da war, ließ ich meine Frau weiterschlafen und setzte mich an den PC. Die Überlegungen überschlugen sich, was der alternative Plan sein könnte.

Magdeburg oder Bremen? Hauptsache Marathon!

Zunächst fasste ich den Marathon in Magdeburg ins Auge, der am nächsten Wochenende stattfinden würde. Der Blick auf die Wetterapp machte mir gleichzeitig klar, dass das Rennen voraussichtlich keine angenehmen Temperaturen bieten würde und für Anfang Oktober ungewöhnlich warm werden würde. Also schaute ich doch noch einmal, was an diesem Wochenende an Marathons in Deutschland angeboten werden würde.

Wie so häufig verließ ich mich auf die Seite Planet-Marathon, die privat betrieben wird und keinesfalls alle Rennen in Deutschland auflistet, aber eine angenehm schnörkellose Darstellung bietet. Köln war ich bereits gelaufen und Kiel wiederum war gemäß Ausschreibung ein Staffel-Marathon. Das ursprünglich in Schleswig-Holstein ausgetragene Rennen sollte 2020 das letzte Mal angeboten werden. Ich konnte damals aufgrund meiner Fußverletzung nicht teilnehmen, kurz bevor Corona nicht nur die Marathonwelt zum Anhalten brachte.

Dann fiel mein Blick auf Bremen. Ich hatte Geografie im Abitur abgewählt und habe bis heute eine kaum existente Orientierungsfähigkeit. Entsprechend hatte ich keine Vorstellungen davon, wie weit Bremen überhaupt von meinem Wohnort entfernt war. Wie sich herausstellen sollte, kaum eine Stunde mit dem Auto. Das klang fantastisch!

Nachmeldung einen Tag vor dem Wettkampf

Ich schaute auf die Homepage und stellte fest, dass man sich einen Tag vor dem Lauf noch nachmelden konnte, jedoch die Nummern am Samstag abholen musste. Ich wartete also, bis meine Frau wach war, erklärte ihr meinen Plan und ließ mir bestätigen, dass ich kein Dummkopf bin, und setzte mich ins Auto. Keine zwei Stunden später war ich schon wieder auf dem Rückweg mitsamt Starterbeutel und Startnummer im Gepäck. Marathon Nummer 40 sollte also in Bremen stattfinden. Doch ein Selbstläufer sollte es nicht werden.

Da der Marathon am nächsten Tag um 09:30 Uhr erst begann, konnte ich trotz Anreise am Wettkampftag fast schon ausschlafen. Ich aß in Ruhe zu Hause Frühstück und machte mich auf den Weg nach Bremen. Auf der Homepage wurden zwei Parkhäuser in Nähe des Starts angeboten, von denen ich mich für eines entschied.

Im Parkhaus angekommen, öffnete sich die Schranke nicht. Der Service-Knopf war nicht bedienbar, sodass kein Angestellter erreichbar war und der Automat zeigte an, obwohl draußen groß ein „Frei“-Zeichen leuchtete, dass keine Parkscheine ausgegeben werden. Die Schlange, die sich innerhalb kürzester Zeit hinter mir bildete, zeigte mir, dass ich nicht der Einzige war, der eigentlich sein Auto hier abstellen wollte.

Der Bremen Marathon 2023 sollte mein erstes Rennen werde, bei dem ich zwei Startnummern erhielt…

Startnummer zu Hause vergessen

Doch das war nicht mein größtes Problem. Einige Meter weiter fand ich einen Parkstreifen, der sonntags gebührenfrei war und ich ging an den Kofferraum, um meine Laufschuhe anzuziehen. Beim Losfahren hatte ich noch das ungute Gefühl, etwas vergessen zu haben, und fuhr nach 20 Minuten auf der Autobahn sogar auf einen Parkplatz. Als ich mich versichert hatte, die Laufschuhe eingepackt zu haben und auch den Beutel des Bremen Marathons sah, fuhr ich beruhigt weiter. Mit dieser Ruhe war es nun vorbei.

Beim Blick in den Beutel stellte ich fest, dass ich meine Startnummer zu Hause gelassen hatte. Ich hatte am Vortag wie üblich in die Tüte geschaut und es aus einem nicht nachvollziehbaren Grund den Umschlag mit der Startnummer neben die Tüte gelegt. Die Reise nach Bremen machte der Umschlag nicht mit. Was jetzt?

Ich nahm meinen Beutel, zog mich um und eilte mit zügigem Schritt zum Start. Obwohl ich überzeugt war, es auf der Homepage anders gelesen zu haben, konnte man offenbar auch am Wettkampftag selbst noch seine Startnummer abholen. Eine lange Schlange an Menschen hatte sich vor dem Sportcheck gebildet, in dem am Vortag noch im vierten Stock die Ausgabe stattfand, und ich zögerte, wie ich reagieren sollte.

Schließlich ging ich an den Wartenden vorbei, die größtenteils für die später beginnenden Rennen anstanden, und schilderte einem der Freiwilligen mein Problem. Er verwies mich an eine andere Person und nachdem laut nach Marathonteilnehmern gerufen wurde, nutzte ich meine Chance und drängelte mich entgegen meiner Art vor. Bis zum Start war noch einiges an Zeit, doch ich wusste nicht, ob und wie schnell mein Problem gelöst werden könnte.

Zwei Startnummern beim Bremen Marathon 2023

Nachdem ich auch einer zweiten Person mein Problem geschildert hatte, beruhigte mich diese, dass es eine Lösung geben würde. Ich wurde an eine dritte Freiwillige verwiesen, der ich schließlich ebenfalls meine Situation schilderte. Zum Beweis hielt sich meinen Startbeutel vor und zeigte mein darin befindliches Shirt vom Bremen Marathon 2023.

Sie überlegte kurz und nach Rücksprache mit einer vierten Person gab man mir eine neue Startnummer. Die alte wurde auf dem Beutel ganz pragmatisch durchgestrichen und die helfende Frau führte die Umbuchung meiner Personalien im System durch. Ich war unfassbar erleichtert, dass das alles so unkompliziert gelöst wurde!

Startbereich Bremen Marathon 2023

Marathon ist kein Mannschaftssport, aber irgendwie dann doch

Pünktlich um 09:30 Uhr begann das Rennen in Bremen und ich war mittendrin. Ich begann relativ weit hinten und holte schnell die 4-Stunden-Pacemaker ein. Wenige Minuten später waren auch die 3-45er kassiert und ich lief in einem Tempo, das sich entspannt anfühlte, weiter. Nach drei oder vier Kilometern war ich schließlich zu den 3-30ern aufgeschlossen.

Diese Zeit hatte ich das letzte Mal vor meinem Bandscheibenvorfall in Barcelona unterboten. Auch wenn der letzte Halbmarathon im Training vielversprechend lief, wäre ich an diesem Tag schon über eine 3-45 glücklich gewesen. Zu viele Aufs und Abs gab es die letzten Wochen und Monate und auch die letzten Rennen seit dem Bandscheibenvorfall verliefen nicht sonderlich berauschend. Die Gründe dafür sind vielfältig und waren praktisch nie in meiner Hand, doch das sind so Erfahrungen, die schwer verständlich sind, wenn man nicht bereits eine Reihe an Marathonrennen gelaufen ist.

Also blieb ich zunächst in der Gruppe um die 3-30-Pacemaker und musste mich spürbar bremsen. Nach einigen Kilometern befand ich mich neben einem der beiden Läufer, und nachdem der Teilnehmer zwischen uns sich etwas fallen gelassen hatte, kamen wir ins Gespräch. Der gute Mann war bereits deutlich über 250 Marathons gelaufen und rannte mit seinen 59 Jahren, die man ihm nicht wirklich ansah, entspannt sein Tempo.

An der Weser ging es selbstverständlich auch entlang.

Schneller als die 3-30-Pacemaker

Wir unterhielten uns ein wenig, was mir verdeutlichte, wie gut das Rennen beim Bremen Marathon 2023 bis dahin lief. Der Pacemaker, dessen Namen ich nicht erfragte, da ich nicht aufdringlich sein wollte, lief selbst eine Vielzahl seiner Marathons im Ausland. Zu Skopje hatte er seine ganz eigenen Erfahrungen. Im Gegensatz zu mir kam er vor Ort an. Dort wurde das Rennen damals jedoch aufgrund bürgerkriegsähnlicher Ausschreitungen spontan abgesagt. Inzwischen hatte er den Lauf bereits nachgeholt und war mir somit auch in diesem Punkt voraus.

Gemeinsam liefen wir auf diese Weise bis Kilometer 12. Bis dahin war er das Rennen etwa eine Minute zu schnell gelaufen und wollte daher etwas Tempo herausnehmen. Da ich mich so weit bremsen musste und bis auf den Amsterdam Marathon noch nie einen negativen Split gelaufen war, entschied ich mich, zu schauen, was das Rennen für mich bringen würde.

Ich nahm mein eigenes Tempo auf und stellte bei der Halbmarathondistanz fest, dass ich etwa 2 bis 3 Minuten Puffer für die 3-30 aufgebaut hatte. Die Laufbedingungen in Bremen waren optimal. Dennoch hatte ich keinesfalls damit gerechnet, die Zeit ins Ziel zunehmen.

Die städtische Seite beim Bremen Marahton 2023

Bis 5 Kilometer vor dem Ziel eine stabile Pace

Spätestens ab der Halbmarathondistanz verlief das Rennen für mich wie in einem Tunnel. Ich muss gestehen, nicht so viel von Bremen wahrgenommen zu haben, wobei wir phasenweise auch durch fast schon skurrile Bereiche geführt wurden. Ein Schulhof, eine Tunnelunterführung und selbst das leere Weserstadion, durch das es ein paar Meter ging, waren dabei. Es hatte was von einer Streckenauswahl bei Tony Hawk Pro Skater, falls jemand mit dieser Verbildlichung etwas anfangen kann.

Bei jedem Kilometer warf ich einen Blick auf meine Uhr und bekam jedes Mal bestätigt: Ich konnte meinen Puffer halten. Offenbar lief ich etwa eine 5er-Pace, ohne dass sich diese heute so anfühlte. Dennoch änderte dies nichts daran, dass das Rennen ab Kilometer 30 zunehmend schwerer wurde. Kurze Magenprobleme waren nach einer Banane glücklicherweise wieder vergangen, und die letzten sieben bis acht Kilometer wurde es langsam muskulär anstrengend.

Auf den letzten Metern ging es kurz durch das leere Fußballstadion in Bremen

Dennoch bewahrte ich mir zunächst den Puffer, bis ich schließlich die letzten fünf Kilometer doch etwas langsamer wurde. Kurz nach Kilometer 40 holten mich die Pacemaker wieder ein, wobei ich wusste, dass diese fast eine Minute vor mir über die Startlinie gelaufen waren.

Ein ungeplant tolles Ende beim Bremen Marathon 2023

Es wurde zunehmend anstrengender, doch ich wollte mir mein eigenes Erfolgserlebnis heute nicht nehmen lassen. Der Blick auf die Uhr verdeutlichte mir, noch mehr als eine Minute Puffer zu haben, der schließlich auch beim Kilometer 41 noch Bestand hatte. Beißen hieß jetzt die Devise. Und genau das tat ich.

Noch einmal schlängelte sich die Strecke um einige Häuserecken, und ich hatte das Gefühl, dass der letzte Kilometer unfassbar lang sein würde. Während von hinten einige Halbmarathon-Teilnehmer mit Tempo an mir vorbei preschten, sammelte ich gleichzeitig einige arme Seelen ein, die offenbar am Ende ihrer Kräfte waren. Endlich sah ich das Ziel.

Ohne Sprint, aber mit zügigem Schritt lief ich den Zielbogen zu und sah bereits, dass die Uhr noch keine 3-30 brutto anzeigte. Mit einer Netto-Zeit von 3h 28:45min erreichte ich Platz 130 von 916 Finishern. Es war die erste 3-30 seit meinem Bandscheibenvorfall vor etwas weniger als zwei Jahren. Dass der Bremen Marathon 2023 solch eine Entwicklung nehmen würde, hätte ich in keiner Weise nach den Stunden davor für möglich gehalten. Marathon Nummer 40 wird mir entsprechend immer in guter Erinnerung bleiben!

Medaille Bremen Marathon 2023

Frank

2 Kommentar zu “Skopje, äh, Bremen Marathon 2023: Kannst du dir nicht ausdenken!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

zurück nach oben
%d Bloggern gefällt das: