Ohmrathon 2023: Härter als der Rennsteiglauf

Ohm ist eine physikalische Einheit, die den elektrischen Widerstand in einem metallischen Leiter beziffert. Wie genau die Veranstalter des Marathons im thüringischen Worbis auf diesen Namen kamen, ist mir nicht bekannt. Doch dass ein gewisser Widerstand überwunden werden musste, wurde auch auf den vor Ort aufgehängten Plakate angekündigt. Gemäß Strava sollte ich 943 Höhenmeter an diesem Wochenende sammeln und entgegen dem restlichen Teilnehmerfeld machte ich aus dem Ohmrathon 2023 ungeplant einen Ohm-Ultra.

Alle guten Dinge sind bekanntlich drei

Auch wenn ich diesen Satz schon mehrfach in ähnlicher Weise im Rahmen dieses Blogs genutzt hatte, muss ich ihn dennoch erneut hervorholen. Seit Beginn dieser Reise in 80 Marathons um die Welt sind bereits einige Jahre verstrichen, die entsprechend auch den ein oder anderen Wandel mit sich brachten, der zuvor nicht vorhersehbar gewesen wäre.

Neben Verletzungen, die im Rahmen einer sportlichen Tätigkeit nicht ausbleiben, und einigen beruflichen Veränderungen ist insbesondere das Privatleben eine Säule, auf der dieses gesamte Vorhaben fußt. War ich vor fünf Jahren noch Vater einer gerade erst geborenen Tochter, vergrößerte sich die Familie im November des letzten Jahres. Dies brachte einige Einschränkungen mit sich. Ich wollte meine Frau schlichtweg nicht mit zwei Kindern für mehr als einen Tag allein lassen, was das Laufen von Marathon in größeren Entfernungen für einige Monate nicht möglich machte.

Startnummer 4009 beim Ohmrathon 2023

So kam es bekanntermaßen bereits zu einem nie so wirklich geplanten Start beim Hannover Marathon 2023. Dass Marathon Nummer 39 weitere vier Monate auf sich warten ließ, war jedoch ebenso ungeplant. Ursprünglich wollte ich im April in Leipzig an den Start gehen, was mit 2,5 Stunden Anreise ohne Abwesenheit über Nacht möglich gewesen wäre. Der bereits bezahlte Start musste jedoch aufgrund einer ungeplanten Zahn-OP, die eine längere akute Ruhephase erforderte, als ich gedacht hätte, verfallen.

Die Chance, in naher Umgebung zu laufen, war damit vertan und so schnell gab es keine weiteren geeigneten Termine, die mir einen Lauf ermöglicht hätten. Ende Juni wollte ich dann beim Marburger Nachtmarathon an den Start gehen. Hier war nicht nur das Ticket bereits bezahlt, sondern ich befand mich sogar schon auf der Autobahn. Doch bereits bei Fahrtantritt baute sich in mir ein immer stärker werdender Widerstand auf, den ich schwer beschreiben kann, mich aber letztlich dazu brachte umzudrehen und nach Hause zu fahren. Eine Stunde nach dem Start des Rennens lag ich völlig kaputt in meinem Bett und schlief, anstatt die 42,195 Kilometer zu laufen. Das Rennen in Worbis war damit der dritte Anlauf, trotz aller Widrigkeiten der letzten Monate Marathon Nummer 39 zu laufen.

Der Sommer 2023 hat auch seine Vorteile

Während große Teile der deutschen Bevölkerung sich darüber beschweren, in diesem Jahr nicht unter tropischen Temperaturen zu leiden, werden viele Läufer kühleren Tage zu schätzen wissen. In der Literatur habe ich wiederholt davon gelesen, dass 25 Grad eine Grenze sei, über der die meisten Personen echte Probleme beim Laufen bekommen würde. Für mich würde ich diese Grenze gut und gerne mindestens um fünf Grad reduzieren, sodass die aktuellen Bedingungen für mich eine Wohltat sind.

In etwas mehr als 1,5 Stunden sollte das Rennen zu erreichen sein

Dennoch ist der deutsche Marathonkalender im Sommer naturgemäß eher dünn besiedelt. Ein Ausweichen ins nördliche Europa war mir dagegen in diesem Jahr aus genannten Gründen nicht möglich, sodass das Suchen nach möglichen Wettkampfterminen bereits eine Herausforderung für sich selbst darstellte.

Ich kann rückblickend tatsächlich nicht mehr sagen, wie ich auf den Ohmrathon in Worbis aufmerksam geworden bin. Die Tatsache, dass der Lauf aber keine zwei Fahrstunden entfernt war und die Temperaturen in diesem Sommer aus läuferischer Sicht erträglich blieben, motivierten mich zu einer Teilnahme.

Kaum ein Dutzend Teilnehmer

Dass der Marathon nicht sonderlich groß werden sollte, war bereits im Vorfeld deutlich. Die Siegerin der Frauen, welche sich noch am Wettkampftag spontan nachgemeldet hatte, bekam die Startnummer 4016 und so gingen gerade einmal 15 Läuferinnen und Läufer im Stadion des SV Einheit 1875 Worbis an den Start. Ich habe in letzter Zeit öfter gelesen, dass kleinere Laufveranstaltungen zunehmend Probleme hätten, ausreichend Teilnehmer zu akquirieren, was zuletzt auch immer wieder zur Absage von Laufveranstaltungen führte. Umso mehr freute es mich, dass die Marathondistanz des Ohmrathons hiervon verschont blieb.

Stadion des SV Einheit Worbis

Da das restliche Tagesprogramm erst deutlich nach dem Marathon beginnen sollte, war bis auf die wenigen Starter und einige Verantwortliche kaum jemand vor Ort. Selbst der Moderator, der im Kurzinterview unter anderem mit dem späteren Sieger Chris Kroll sprach, hätte fast den offiziellen Start verpasst, sodass es in privater Atmosphäre auf die Strecke ging.

Mehr Höhenmeter als beim Rennsteiglauf

Ich selbst hatte mich im Vorfeld zugegebenermaßen nicht allzu umfangreich mit der Strecke auseinandergesetzt. Ich wusste, dass es ein Lauf in der Natur werden sollte, und die Marathonläufer zwei Runden bewältigen würden. Erst wenige Minuten vor Beginn des Rennens wurde mir allerdings das Höhenprofil des Ohmrathons bewusst. Der Aushang, welcher ein steiles Auf und Ab versprach, kündigte über 800 Höhenmeter an. Gemäß Strava waren es sogar 943, doch in jedem Fall sollte es mehr Anstiege zu bewältigen geben als beim Rennsteiglauf.

Das Feld zog sich schnell auseinander

Ohne mir darüber weitere Gedanken zu machen, da ich an diesem Umstand ohnehin nichts mehr ändern konnte, lief ich los und bekam bereits nach knapp einem Kilometer verdeutlicht, was das wellenförmige Höhenprofil in der Realität bedeutet. Auf einer Länge von drei Kilometern wurden die ersten 150 Höhenmeter bewältigt, was einer Steigung von fünf Prozent entsprach. Dies klingt nicht sonderlich viel, war über drei Kilometer jedoch eine ungewohnte Belastung, die fast allen Teilnehmern Tempo abforderte. Bereits auf diesem ersten Anstieg zog sich das Teilnehmerfeld auseinander und ich sollte für den überwiegenden Teil des Rennens maximal ein bis zwei andere Marathonläufer aus der Ferne vor oder hinter mir sehen können.

Nur zwei statt vier Verpflegungspunkte

Spätestens nach diesen ersten Kilometern war klar, dass der Ohmrathon mit einem anspruchsvollen Profil und gleichzeitig einer schönen Waldlandschaft zu punkten wusste. Ich selbst fühlte mich an die Laufstrecken im nahegelegenen Hann. Münden erinnert, in dem ich während meines Studiums bei der Polizei lebte und das Laufen kennenlernte. Dass ich entsprechende Strecke zudem jedem Stadtmarathon vorziehe, hatte ich bereits mehrfach betont, sodass der Lauf in Worbis in diesem Zusammenhang in jedem Fall bei mir punkten konnte.

Die Natur war beim Ohmrathon 2023 ein Highlight

Ganz anders sah es dagegen mit der Verpflegung aus. Die Veranstalter nahmen für die Teilnahme am Marathon 40 EUR. Die Waldstrecke kam praktisch gänzlich ohne Streckenposten aus und auch sonst war der Aufwand für die 15 Starterinnen und Starter, die die Halbmarathonstrecke doppelt nutzen, sicherlich überschaubar. Ich erwarte keine ausufernde Verköstigung, aber eine ausreichende Anzahl an Verpflegungsstationen sollte entweder angeboten oder deren Fehlen im Vorfeld angekündigt werden.

Beim Start des Laufes sprach der Moderator in einem Nebensatz von vier Verpflegungsstationen und bereits die Formulierung ließ mich kurz grübeln, ob damit vier Stationen auf der gesamten Strecke oder vier Stationen auf den gesamten Marathon gesehen gemeint waren. Wie sich herausstellte, war letzteres der Fall.

Obwohl auf der Homepage vier Verpflegungspunkte pro Schleife angekündigt waren, boten die Verantwortlichen letztlich nur zwei Stück auf. Während ich mich während des Rennens versuchte, nicht weiter darüber zu ärgern, ist dies ein Tag später ein Punkt, den ich nicht nachvollziehen kann. Hätte ich dies vorher gewusst, wäre ich mit Trinkrucksack oder zumindest einer Trinkflasche an den Start gegangen. Auf der Homepage war es selbst nach dem Rennen noch falsch nachzulesen.

Sollte es dieses Mal mehr als vier Stunden dauern?

Doch wäre dies nicht bereits genug Widerstand gewesen, dem man sich im Rahmen des Rennens gestellt hätte, machte ich mir das Leben am Ende schwerer, als es nötig gewesen wäre. Nach der ersten Runde zeigte die Uhr bei knapp 21,1 Kilometer eine Zeit von 1h 53min an. Ich war damit noch gut genug in der Zeit, trotz des ungewohnt anspruchsvollen Profils unter vier Stunden im Ziel anzukommen.

Zwischenzeitlich machte der Ausblick deutlich, wie hoch man war

Das Auf und Ab war kräftezehrend, doch nach 32 Kilometern lag ich mit 2h 58min weiterhin in einem akzeptablen Rahmen. Ich wusste, dass es knapp werden würde, doch war weiterhin zuversichtlich das Rennen in weniger als 4 Stunden zu beenden, da der anspruchsvollste Teil der Strecke bereits hinter mir lag.

Einige Kilometer zuvor hatte mich eine Teilnehmerin, die später mit 3h 53min Zweite bei den Frauen werden sollte, überholt, während ich kurz darauf einen Läufer einholen konnte, der fast 30 Kilometer vor mir lag und das Rennen schließlich in einer Zeit über 4 Stunden beenden sollte. Es war ein Ritt auf Messers Schneide, dessen positives Ende für mich jedoch greifbar schien. Am Ende sollte ich mich selbst sabotieren.

Fast zwei Extra-Kilometer

Generell war die Strecke des Ohmrathons vorbildlich gekennzeichnet. Die Kilometer waren allesamt beschildert und an Kreuzungen waren eigentlich gut erkennbare Pfeile mit Kreidefarbe auf dem Boden gesprüht. Uneigentlich schaffte ich es in meinem Tran an einer steilen Einmündung dem natürlichen Wegverlauf zu folgen, anstatt für die Laufstrecke abzubiegen. Ich lief und lief und wunderte mich, warum ich das 39-Kilometer-Schild nicht zu sehen bekam.

Alle Kilometer waren beim Ohmrathon 2023 beschildert

Nach einer schier unendlichen Länge war es dann endlich so weit. In der Ferne war ein Kilometerschild zu erblicken, doch schon beim Annähern wurde mir klar, dass die Zahl die falsche war. Ich hatte mich verlaufen und war über eine Querverbindung auf den Anfangsteil der Strecke gelangt. Ein kurzer Moment der Panik, gepaart mit Frustration. Wo war ich? Ich lief einen Teil der Strecke zu einer anderen Einmündung zurück und stellte fest, dass die Kreidepfeile in die Richtung zeigten, aus der ich kam. Offenbar war ich gerade dabei, die Strecke rückwärtszulaufen.

Ich holte mein Handy raus und meine böse Ahnung wurde bestätigt. Ich hatte mich komplett verlaufen. Das Gefühlschaos ist in freundlichen Worten nicht zu beschreiben.

Also lief ich die Strecke bis zu dem Punkt zurück, an dem ich vermutete, die in die falsche Richtung gelaufen zu sein und nachdem ich einige Meter weiter gerannt war, erkannte ich die Farbmarkierungen, die in die steile Mündung deuteten. Ich hatte die Pfeile schlichtweg übersehen, da der Kopf einfach nur platt war. Spätestens an diesem Punkt war es mein Körper auch.

Nach knapp 44 Kilometer im Ziel

Meine Fitbit zeigte mit längst mehr als nur die Marathondistanz an. Auch Strava, das ich zwischenzeitlich beim Verlaufen aus Frust sogar kurz abgestellt hatte, machte mir deutlich, an diesem Tag die Ultradistanz zu laufen. Es ging zurück auf die bekannte Schleife und schließlich dieses Mal zurück ins Stadion, wo das Rennen bereits begonnen hatte.

Generell waren die Pfeile gut erkennbar

Eine letzte Runde auf der Tartanbahn und nach 4h 9min übertrat auch ich die Ziellinie. Gemäß Gmaps-Pedometer müsste ich etwas mehr als 1,5 zusätzliche Kilometer gesammelt haben, die mich am Ende im Ranking nach hinten warfen. Den Veranstaltern will ich für meinen Fehler keinen Vorwurf machen. Ich war schlichtweg erschöpft, aber hätte die Markierungen sehen können.

Die Marathondistanz sollte ich knapp unter 4 Stunden bewältigt haben, wobei das Rennen in Worbis nunmehr in jedem Fall das langsamste gewesen ist. In Anbetracht der Höhenmeter und der fehlenden Verpflegungspunkte stellt Marathon Nummer 39 keine grandiose Leistung dar, war allerdings auch kein Reinfall. Was bleibt ist die Erinnerung an ein Rennen, das meiner Ansicht nach mehr Teilnehmer verdient hätte. Ich selbst richte den Blick nun weiter nach vorn und hoffe in Zukunft wieder mehr Kontinuität in meine Teilnahmen zu bekommen. Der nächste internationale Marathon ist in jedem Fall bereits gebucht.

Medaille Ohmrathon 2023

Frank

4 Kommentar zu “Ohmrathon 2023: Härter als der Rennsteiglauf

  1. Hallo Frank,
    Glückwunsch zum absolvierten Marathon. Etwas vermisse ich die Kurzfolgen bei Patreon, aber auch das lesen hier bereitet mir Freude.
    Ich bin erst später zum Laufen gekommen wie du, frage mich allerdings, warum dir keine GPS Uhr mit Navigation gönnst, das Einfädeln auf Strecken kann man so minimieren. Denn ich weiß genau wie man sich da fühlt. Ist mir mit GPS auch passiert, aber nach wenigen Metern kann man den Fehler korrigieren.
    Ich bin ebenfalls Fan von dieser Art des Marathon, gerade hier in der Umgebung gibt es mehrere davon.
    Gruß
    Andreas Höfer
    P.s
    „Meine Fitbit zeigte mit längst mehr als nur die Marathondistanz an und auch gemäß Strava,“ Den Satz kannst du ggf. nochmal gerade ziehen im Blog, „mir“

    1. Donnerstag kommt nochmal ne „Ein letzter Tag…“ Folge bei der ich kurz was zu den Marathonpodcasts auch sagte 🙂

  2. „Wie genau die Veranstalter des Marathons im thüringischen Worbis auf diesen Namen kamen, ist mir nicht bekannt.“
    Ohmgebirge, Ohmberg, Ohmbergstadion (Dort bist Du eingelaufen, siehe Dein Foto)

    Glückwunsch zum Finish & gute Regeneration!

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