Der Herr Doktor läuft den Graz Marathon 2018

Am 15.10.2018 ist es soweit: Mein erster Marathon im Ausland, den ich mehr zufällig als geplant bei unseren Nachbarn in Österreich bestreiten werde. Der Termin lag gut, so dass ich mich mit der Stadt selbst und den örtlichen Gegebenheiten bis vor dem Verfassen dieses Textes zugegebenermaßen überhaupt nicht auseinandergesetzt hatte. Ehrlich gesagt, muss ich sogar gestehen, mich mit dem Land Österreich zuvor nie so richtig auseinandergesetzt zu haben. Aus dem Geschichtsunterricht in der Schule kennt man die gemeinsamen Wurzeln, das Fernsehen brachte auch meiner Generation Sissi näher und Mozart hat man zweifelsohne auch schon einmal als Namen gehört – und wenn nur von den süßen Kugeln.

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25 Jahre Graz Marathon – Quelle: Facebook-Auftritt

Meine erste echte Berührung mit Österreich war also die Anmeldung zum Graz Marathon 2018, die landestypisch begann. Wie üblich gibt man als Starter seine persönlichen Daten an und in einigen Wettbewerben ist es auch möglich, einen Titel auszuwählen. Hierbei ist weniger ein Adelstitel gemeint, als vielmehr der akademische Grad „Doktor“ und in einigen Fällen auch der „Professor“. Inwieweit Letzteres vielmehr einen (akademischen) Beruf darstellt, könnte man sicherlich diskutieren. Doch dieses Mal war es anders: Während bei der Anrede in Zukunft in Deutschland vielleicht die Intersexualität tatsächlich anwählbar sein wird, nachdem dies Ende 2017 vom Bundesverfassungsreicht für das Geburtenregister gefordert wurde, ist zumindest die Auswahl an Titeln in Österreich auf einem gänzlich anderen Level.

Österreich und der wissenschaftliche Adel

Während Bachelor, Master, Magister, Doktor und der Diplom-Ingenieur den meisten geläufig sein werden, gibt es in Österreich Abkürzungen wie Dkfm. DDr., dessen Bedeutung für einen Piefke wie mich trotz ein wenig Suche im Internet weiterhin verschlossen blieb. Das Anmeldeformular stellte ein fabelhaftes Beispiel für gesellschaftliche Konventionen dar, was der Soziologie in mir mit einem gewissen Schmunzeln wahrnimmt.

Wer hierzulande einen Abschluss als Bachelor oder Master sein Eigen nennt, wird in den seltensten Fällen dazu kommen, andere ungefragt darauf aufmerksam zu machen, ohne dass dies tendenziell bizarre Züge annehmen würde. Den Doktor darf man sich, trotz immer wieder aufkommender Gegenbemühungen, weiterhin in den Personalausweis eintragen lassen, ohne dass dieser Teil des Namens ist. Andere akademische Abschlüsse platziert man dagegen in der Regel höchstens mal auf Visitenkarten oder email-Signaturen. Anders verhält es sich dagegen in Österreich, was ich in der Vergangenheit durchaus schon einmal durch die Anekdote eines Kollegen erfahren hatte, der vor Jahren in Österreich einen Vortrag bei der dortigen Polizei hielt, und explizit als Diplom-Verwaltungswirt angekündigt wurde, ohne dies jemals verlangt zu haben.

Grund hierfür ist das Adelsaufhebungsgesetz, das 1919 umgesetzt wurde und österreichischen Staatsbürgern beispielsweise das Führen des adelstypischen „von“ im Namen untersagt. Während in Deutschland also weiterhin Grafen und Freiherrn den Titel als solche führen dürfen, ist dies im Nachbarland untersagt, was im Einzelfall in der Vergangenheit sogar zum gezielten Wechsel der Staatsbürgerschaft führte. Entsprechend hat sich das Tragen (und Präsentieren?) von akademischen Titeln in Österreich in einer Art und Weise etabliert, wie sie für Deutsche in der Außenbetrachtung zum Teil skurril, zumindest aber ungewohnt ist. In Österreich meldet sich nicht nur der Herr Doktor, sondern auch der Herr Bachelor zum Marathon an.

An dieser Stelle sei noch betont, dass diese Ausführungen keinesfalls abwertend gegenüber vermeintlich geringeren akademischen Abschlüssen gemeint ist. Ich habe selbst zwei Bachelor-Abschlüsse und unterm Strich sind akademische Titel oftmals wenig bis gar nicht aussagekräftig über die tatsächlichen Fähigkeiten einer Person. Ich bin also nicht in meiner Doktorwürde – sofern es so eine überhaupt gibt – gekränkt, sondern diese Besonderheit gewann die Aufmerksamkeit des Soziologen in mir.

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Ausblick auf Graz – Quelle: Pixabay

Was hat der Graz Marathon zu bieten?

Und Graz im Speziellen? Was hat die Landeshauptstadt der Steiermark, der Heimat Arnold Schwarzeneggers, zu bieten, außer dass es die zweitgrößte Stadt Österreichs ist? Laut eigener Touristenauskunft ist es, zumindest was das Essen angeht, gegenüber Wien im Vorteil. Graz sei seit 1998 GenussHauptstadt (sic!), wie man auf dem Internetauftritt erfährt.

Der Marathon dagegen wurde 1993 ins Leben gerufen und trägt den Titel einer Tageszeitung im Namen. Mit 678 Marathon-Finishern im Jahr 2017 ist man zwar weit vom Rekord im Jahr 2000 entfernt (2029 Finisher), was aber immer noch fast doppelt so vielen Personen entspricht, wie beim Kassel Marathon zuletzt. Anders dagegen, als in Kassel, hat es in Graz nicht für 42,195 km am Stück gereicht, so dass die Strecke für die volle Distanz zweimal absolviert werden muss. Dies hatte mich im letzten Jahr noch davon abgehalten, im Herbst vielleicht schon den Wolfsburg-Marathon zu laufen. Ich hatte befürchtet, dass es demotivierend sein könnte, zweimal an den gleichen Punkten vorbeilaufen zu müssen. Ob es das tatsächlich ist, werde ich nun feststellen.

In zwei Wochen fliege ich also nach Graz, um den ersten Marathon außerhalb der deutschen Grenzen zu absolvieren. Doch vorher steht, wie bereits angekündigt, der Hell of the Brave Lauf an. Ich werde berichten!

Frank

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