Philadelphia Marathon 2019: Rocky wäre stolz auf mich gewesen!

Als ich vor gut zehn Jahren damit begann, nach einigen Ausprobieren in letzter Konsequenz den Schritt zum Hybridtraining zu machen, gab es zwei Personen, die mich dazu inspirierten. Zum einen der kanadische Ernährungsguru John Berardi, dessen Ideen bezüglich der Ernährungsgestaltung mich nachhaltig beeinflussten, der von seinen Erfahrungen mit der Betreuung von Athleten schrieb, und zum anderen die fiktive Figur Rocky Balboa.

Natürlich lief Rocky keine Marathons und auch in meinem Training war das Laufen über Distanzen, die länger als zehn Kilometer waren, lange Zeit kein Bestandteil. Aber damals begann die Zeit, in der ich konsequent begann, Krafttraining mit anderen Aktivitäten zu verknüpfen, um ein besserer Athlet zu werden. Grund genug an die Wirkungsstätte des Italian Stallione zu reisen und auch in der Stadt der brüderlichen Liebe die vollen 42,195 km zu laufen. So viel sei bereits verraten: Ich wurde mit einer neuen Bestzeit belohnt, ohne dies in irgendeiner Weise geplant zu haben.

Regen oder kein Regen? Das Problem der richtigen Bekleidung

Ich schrieb bereits, dass am Tag vor dem Philadelphia Marathon die Wetter-App Regen für die Laufveranstaltung angesagt und ich mir deshalb extra noch ein Regenponcho gekauft hatte. Als der Wecker um 4:50 Uhr Ortszeit klingelte, galt mein erster Blick den aktualisierten Daten: Blieb es bei der Regenvorhersage? So richtig konnte die App sich nicht entscheiden. Ähnlich wie auf der Anreise zum Hamburg Marathon 2019 wechselten die Regenwahrscheinlichkeiten von einer Stunde auf die nächste. War die Chance zunächst deutlich geringer eingestuft, änderte sich dies zehn Minuten später zur stündlichen Aktualisierung und ein Blick aus dem Fenster verriet, dass es zwar nicht cats and dogs regnete, ich aber auch nicht trocken zum Marathongelände gelangen sollte.

Wie schon am Tag zuvor in Erwägung gezogen, entschloss ich mich also meine Regenjacke für den Lauf anzuziehen und machte mich knapp eine Stunde vor dem Startschuss dick angezogen auf den Weg. Auf halber Strecke irrte mir ein Pärchen entgegen. Wäre ich am Tag zuvor die Strecke nicht bereits einmal abgegangen, wäre ich mir vermutlich auch nicht ganz so sicher gewesen, welchen Weg man einschlagen sollte, denn wie ich es inzwischen gewohnt bin, war die Beschilderung nicht sonderlich gut.

So kamen wir kurz ins Gespräch und die optisch eher asiatisch wirkenden Läufer stellten sich als waschechte New Yorker vor, die heute ihren fünften Marathon laufen würden. Natürlich wurde ich als Deutscher nach dem Berlin Marathon gefragt und nachdem ich die Teilnahme weltmännisch bestätigen konnte, kam sofort die prüfende Frage nach dem New York Marathon. Erneut ein Punkt für mich. Die weiteren beiden Läufe, die das New Yorker Pärchen bisher absolviert hatte, waren der Chicago Marathon und das Rennen im Disney Land. Ja, richtig gelesen, im Disney Land gibt es einmal im Jahr einen Marathon, der auch auf meiner Liste bereits einen Platz gefunden hat, wenn der Nachwuchs groß genug sein sollte.

Wenige Zeit später erreichten wir das Gelände und ähnlich wie in New York musste man durch einen Sicherheitsbereich inklusive Metalldetektoren. Das ist ein größerer Aufwand, als dieser beispielsweise in Berlin betrieben wurde und kann kein amerikanisches Phänomen sein, schließlich war beim San Francisco Marathon nichts dergleichen aufgebaut. Im Gegensatz zum Rennen in Kalifornien gab es beim Philadelphia Marathon allerdings all das, was man von einem amerikanischen Sportereignis erwarten würde. Food Trucks, eine Bühne mit riesigen Boxen, die das gesamte Areal mit Musik und motivierenden Sprüchen beschalte und die Nationalhymne, bevor die ersten Läufer auf die Strecke gingen.

Während ich mich im Hotel noch keineswegs bereit gefühlt hatte, waren die Versuche der Moderatoren zumindest bei mir von Erfolg gekrönt. Meine Stimmung war super und ich fühlte mich freute mich auf den Start. Dies wurde auch dadurch unterstützt, dass mein Gluteus Medius inzwischen wieder normale Bewegungen erlaubte. Aus der Vergangenheit wusste ich, dass diese Art von Verletzung bei mir zwischen fünf und zehn Tagen benötigt, um wieder uneingeschränkt belastet werden zu können und ich hatte Glück, dass es tatsächlich bei kürzesten Zeitraum blieb. Es war nicht meine Absicht, unnötig einen Spannungsbogen aufzubauen. Das hätte durchaus auch anders ausgehen können.

Laufen nach und mit Gefühl

Dennoch oder gerade deswegen hatte ich mir für meinen zwanzigsten Marathon jedoch nicht sonderlich viel vorgenommen. Nachdem ich mir in den letzten Wochen bereits im Training angewöhnt hatte, die Zeitansage abzustellen, entschloss ich mich beim Philadelphia Marathon für dasselbe Vorgehen. Ich lief also rein nur nach der gefühlten Intensität und achtete darauf, relativ ruhig zu atmen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Laufveranstaltungen waren die Amerikaner bei dieser Veranstaltung scheinbar disziplinierter, was das Einhalten der Startblocks anging. Zumindest war dies vom Bestzeitmarathon abgesehen, der aufgrund der geringen Teilnehmerzahl gar kein stockendes Teilnehmerfeld zuließ, das erste Mal seit langem, dass die ersten Kilometer nicht zu einem Hindernislauf verkamen. Ganz im Gegenteil bewegte ich mich entspannt im Feld vorwärts und sah bereits wenige Augenblicke nach dem Start die Pacemaker für 3 h 30 min nur einen Steinwurf entfernt vor mir liefen.

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Nachdem ich nach zwei Kilometern das Gefühl bekam, ziemlich langsam zu laufen und der Abstand zu den Pacemakern dennoch gleich blieb, wusste ich, dass ich offenbar frischer war, als ich es erwartet hätte und entschloss mich, wie beim Start geplant, mein Rennen zu laufen. Ich ließ die Pacemaker hinter mir und überholte nun fortwährend einzelne Teilnehmer, ohne dabei das Gefühl zu haben, dass es anstrengend werden würde. Rückblickend kann ich auf der Strava-App, die ich parallel laufen ließ, kontinuierliche Pace-Zeiten zwischen 4:30 und 4:40 min ablesen, so dass meine erste offizielle Zwischenzeit trotz des langsamen Tempos auf den ersten beiden Kilometern bei 47:51 min nach 10 Kilometern lag.

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Streckenverlauf Philadelphia Marathon 2019 – Quelle: philadelphiamarathon.com

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, ich hätte bei den alle fünf Kilometer aufgestellten metrischen Distanzschildern nicht auf die Uhr geschaut, aber ich nahm mir weiterhin nichts vor, außer Spaß zu haben. Insbesondere die ersten acht bis neun Meilen führten durch Gebiete von Philadelphia, die man so auch in einem der Rocky Filme von der Optik her erwartet hätte, so dass gepaart mit der phasenweisen hervorragenden Stimmung in mir fast so etwas wie Euphorie aufkam. Ich fühlte mich wie Rocky. Also soweit man als erwachsener Mann mit klarem Verstand dieses Gefühl erleben kann. Aber es machte schlichtweg Spaß.

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Nach etwas über eine Stunde, als das Tempo sich weiterhin gut anfühlte und ich merkte, nicht langsamer zu werden, entschloss ich mich auf Spotify eine Rocky-Playlist auszuwählen und zu schauen, was das Rennen für mich zu bieten hätte. Insbesondere die alten Rocky Songs verbinde ich mit meinen Laufeinheiten Ende 2009, so dass die Glücksgefühle mich weiter nach vorne peitschten. Beim Halbmarathon registrierte die Uhr eine Zwischenzeit von 1 h 40:27 min, ohne dass ich gezielt auf Tempo gelaufen wäre, und ich wusste spätestens an diesem Punkt, dass dies heute eine für meine Verhältnisse sehr gute Zeit werden könnte.

Die Strecke versprühte nun zunehmend weniger Rocky-Flair, was vor allem der Abzweigung in den West Fairmount Park geschuldet war. Dieser ist etwas fünfmal größer als der Central Park in New York, doch während die berühmte Oase mitten in Manhattan mit Liebe zum Detail geplant wurde, präsentiert sich der Fairmout Park eher rough und swollen, wie es der Guide am Tag zuvor auf der geführten Tour ausdrückte. Auch gegen den Gold Gate Park in San Francisco kann das Äquivalent aus Pennsylvania nicht bestehen, doch ich war längst in meinem eigenen Film.

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Versunken im Rocky Soundtrack spulte ich meine Kilometer ab und als es gerade begann, anstrengender zu werden, führte die Schleife der Streckenführung zurück zu den Rocky Steps, wo nun wieder zahlreiche Zuschauer die Teilnehmer anfeuerten. Noch einmal ging es auf einen großen Wendekurs, der von der ein oder anderen Steigung geprägt war, doch Dank der guten Stimmung an der Strecke war auch dies zu vernachlässigen. Ich wusste, dass ich auf Bestzeitkurs war, was mich weiter nach vorne trieb, auch wenn es ab Kilometer 35 nochmals anstrengender wurde.

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Höhenprofil Philadelphia Marathon 2019 – Quelle: philadelphiamarathon.com

Hier endet regelmäßig die Distanz, die ich im Training bewältige, und das eigentliche Marathonrennen beginnt. An diesem Punkt entscheidet sich der tatsächliche Abschluss des Rennens und wie immer wurde ich ein wenig langsamer, allerdings nicht wesentlich. Von einer Pinkelpause, die mich etwas mehr als eine halbe Minute kostete abgesehen, lief ich weiterhin Zeiten Zwischenzeiten zwischen 5:00 min und 5:14 min, ohne dass in mir das Gefühl aufkam, mich völlig zu verausgaben.

Ehe ich mich versah, lief ich auf das 26-Meilen-Schild zu und wenige Augenblick später öffnete sich bereits der Bereich des Zieleinlaufes vor mir. Die Uhr strahlte mir entgegen und ich wusste, dass ich auch ohne Schlussspurt meine bisherige Bestzeit vom Graz Marathon 2018 unterbieten würde. Ob Stallone der größere Actionheld als Schwarzenegger war, kann man sich streiten. Am heutigen Tag hatte aber Rocky die Nase vor dem Terminator. Ich beendete den Philadelphia Marathon 2019 in 3 h 26:36 min und hatte damit auf den letzten zwölf Kilometern etwa dreieinhalb Minuten auf der Uhr verloren. In der Rangliste entsprach dies Platz 1.445 von 10.040 Finishern, was einem Teilnehmerrekord für den Philadelphia Marathon entsprechen sollte, wobei nur 23 Läufer die magischen 2 h 30 min unterboten.

Epilog

Damit liegt auch dieser Marathon hinter mir und man kann sich vorstellen, dass das völlig unerwartete Ergebnis ein klein wenig euphorische Gefühle in mir aufkommen ließ. In den letzten acht Wochen lief ich vier Marathons, nahm an zwei Bodybuildingwettkämpfen teil und stellte mich einmal der Powerlifting-Plattform. Hätte man mir zu Beginn meiner Herbstsaison 2019 gesagt, welche Ergebnisse ich am Ende erreichen würde, hätte ich dies vermutlich nicht für möglich gehalten. Ich bin zufrieden, mehr als zufrieden und habe die letzten Wochen zumindest meine Grenzen neu definiert.

Entgegen der ursprünglichen Überlegung geht es in diesem Jahr noch einmal auf die Marathonstrecke. In zwei Wochen werde ich erstmals mit der Familie zu einem Marathon reisen und in Lanzarote das Laufen mit Erholung verbinden. Ich plane ähnlich wie beim Viva West Marathon das Rennen wie einen Trainingslauf anzugehen. Insbesondere die deutlich wärmeren Temperaturen sind nicht meins, wie ich inzwischen zur Genüge feststellen durfte, weshalb mein erster Lauf in Spanien in jedem Fall keine neue Bestzeit werden wird. Aber einen  schönen Jahresabschluss stellt der Lanzarote Marathon hoffentlich dar, auf den ich mich auch aufgrund des anschließenden Urlaubes darauf bereits freue.

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Medaille des Philadelphia Marathons 2019

Frank

5 Kommentar zu “Philadelphia Marathon 2019: Rocky wäre stolz auf mich gewesen!

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